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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ist es!«
    Die Heimlichtuerei der beiden blieb den Umstehenden nicht verborgen. Neugierig trat der Türmer Kleinknecht, der Herz und Hirn stets auf der Zunge trug, an sie heran und stellte die Frage: »Kanntet Ihr das Frauenzimmer?«
    »Die da?«, fragte Magdalena gekünstelt zurück. »Nein, wie kommt Ihr darauf?«
    »Weil Ihr an ihrem Tod sichtlich Anteil nehmt. Jedenfalls kommt es mir so vor.«
    »Nein, da irrt Ihr. Es war eher ein Zufall, der uns mit den Gaffern hierhergeführt hat.«
    Weil er fürchtete, Magdalena könne sich verplappern, schaltete sich Wendelin ein: »Wir kommen gerade aus dem Würzburgischen und haben die Hoffnung, in einer der zahlreichen Klosterbibliotheken in Eurer Stadt Arbeit zu finden.«
    »Dann seid Ihr Bibliothekare und kennt alle Schriften und die lateinische Sprache!«
    »So ist es!«, erwiderte Magdalena.
    »Ihr auch?«, staunte der Türmer.
    »Was wundert Euch daran?«, fragte Magdalena.
    »Nichts, nichts«, beeilte sich Kleinknecht zu antworten. Und eingeschüchtert fügte er hinzu: »Habt Ihr schon eine Bleibe?«
    »Noch nicht. Wir sind gerade erst angekommen. Wisst Ihr eine angemessene Unterkunft?«
    »Die Pfisterin in der ›Hölle‹, eine ehrliche Wittfrau, wenngleich etwas geschwätzig wie alle Wittfrauen, verdient sich ihr Zubrot, indem sie die oberen Zimmer ihres Hauses an Fremde vermietet. Dort, das wohlgenährte Weib, das ist die Pfisterin!«
    »He, was erzählst du für Geschichten über mich!«, keifte die Matrone und kam näher. Und an Magdalena und Wendelin gewandt: »Ihr seid Fremde und habt noch keine Bleibe?«
    »Nein«, erwiderte Magdalena. »Könnt Ihr uns aufnehmen?«
    »Zwei Kreuzer pro Tag in einer Kammer unter dem Dach«, sagte die Pfisterin knapp. Der Tonfall ihrer Stimme machte deutlich, dass der Preis nicht zur Verhandlung stand. Magdalena und Wendelin sahen sich an und nickten zustimmend.
    »Und wie lange wollt Ihr bleiben?«, erkundigte sich die Pfisterin. Dabei musterte sie die neuen Mietgäste von unten bis oben.
    »Wir wissen es noch nicht«, antwortete Wendelin wahrheitsgemäß. »Wenn wir in einer Klosterbibliothek Arbeit fänden wie in Eberbach oder Würzburg, könnte es auch für längere Zeit sein – wenn es Euch recht ist.«
    »Mir ist alles recht, was Geld bringt«, entgegnete die Wittfrau kaltschnäuzig. »Ihr seid Bibliothekare?«
    »So ist es.«
    »Da kann ich Euch vielleicht behilflich sein. Mein Schwippschwager Leonhard ist Cellerar bei den Benediktinern auf dem Michelsberg. Er ist für die Verwaltung des Klosters zuständig, ebenso für Dienstboten und weltliches Personal.«
    »Hört sich gut an«, bemerkte Schweinehirt trocken.
    Plötzlich zog die Pfisterin ihre Stirn in Falten und sagte: »Ich gehe doch recht in der Annahme, dass Ihr ein Gott wohlgefälliges Paar seid? Ihr versteht, was ich meine.«
    »Natürlich, Eure Annahme täuscht Euch nicht«, erwiderte Wendelin, ohne lange nachzudenken.
    Die Matrone trat näher und schüttelte den Kopf: »Nicht dass ich prüde wäre oder päpstlicher als der Papst, aber ich kann in meinem Haus keine Unzucht dulden. Der Bischof, müsst Ihr wissen, liegt mit den Bambergern in steter Fehde und versucht, auf jede nur erdenkliche Weise zu Geld zu kommen. Seine Späher sind angehalten nachzuforschen, ob ein Gastwirt oder eine Zimmerwirtin Paare ohne den Segen der Kirche beherbergt. Werden sie fündig, dann muss der Wirt einen Ablassbrief über zehn Gulden und ebenso viele Vaterunser erwerben. Dabei geht es dem frommen Herrn keineswegs um die Moral, nein, es geht ihm nur ums Geld!«
    Nachdem Wendelin Schweinehirt beteuert hatte, sie könne in dieser Hinsicht gänzlich unbesorgt sein, und, gleichsam als Beweis, einen heftigen Kuss auf Magdalenas Wange gedrückt hatte, führte die Pfisterin ihre neuen Gäste zu ihrem Haus in der ›Hölle‹ und händigte ihnen die Schlüssel aus.
    Bevor der Tag sich neigte, saßen Magdalena und Wendelin bei der Pfisterin in der Stube und redeten, um sich kennenzulernen. Von Zeit zu Zeit blickte die Matrone aus dem Fenster auf die fünfzehn steinernen Stufen, die bergan zur oberen Pfarre und von dort weiter zum Dom führten, und als sie Magdalenas neugierige Blickebemerkte, meinte sie: »Ich mache mir Sorgen um Athanasius Helmont, den Schriftgelehrten. Der Tod seiner Frau geht mir, wenn ich ehrlich bin, eher weniger zu Herzen. Sie war ein Weibsteufel, aber Helmont verehrte sie. Schwer vorstellbar, dass er es gewesen sein soll, der sie ertränkt hat.«
    Magdalena und

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