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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Townsend
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gern beigepflichtet, aber ihre Erinnerungen lagen hinter einem Schleier aus Mücken, Regen, Matsch, Sonnenbrand, Dehydrierung, endlosen Autofahrten, Gezanke und widerwilligen Versöhnungen.

54
    Das Familiengrab der Bibers lag im Schatten eines kleinen, dichten Nadelwäldchens auf dem St. Guthlac’s Friedhof. Zwischen den Bäumen war nicht genug Platz für einen Bagger, und die Wurzeln machten das Ausheben neuer Gräber zu einer kräftezehrenden Aufgabe.
    Während die Trauergäste die Auffahrt zu der furchteinflößenden normannischen Kirche hinaufchauffiert wurden, sahen sie zwei junge Totengräber, die einander mit kleinen Steinchen bewarfen. Als Brian, Titania und die Zwillinge an den Jungs vorbeifuhren, hörten sie einen der beiden rufen: »Du Saftsack , fast hättest du mein Auge erwischt!«
    Brian befahl dem Fahrer anzuhalten. Er stieg aus und stapfte entschlossen auf das unfertige Grab seiner Mutter zu.
    Die Jugendlichen ließen die Steinchen fallen und griffen nach ihren Spaten.
    Brian sagte: »Ich weiß, dass unangemessene Kraftausdrücke an eurer Versagerschule auf dem Lehrplan stehen, aber dieses Loch, das ihr da grabt, wird die letzte Ruhestätte meiner Mutter sein. Und über ihrem Grab wird niemand als ›Saftsack‹ beschimpft.«
    Er stolzierte zum Wagen zurück.
    Kaum hatte sich die Tür geschlossen, traf einer der Jugendlichen Brians Blick, murmelte: »Saftsack!« und sprang ins Grab.
    Brian war kurz davor, wieder auszusteigen, doch Brian junior hielt ihn zurück. »Lass gut sein, Dad.«
    Brian war genervt. Seit drei Meilen folgten sie dem Leichenwagen mit seiner Mutter an Bord. Hinter ihnen fuhr die ganze Zeit Alexander in seinem alten Lieferwagen mit Stanley Crossley und Ruby auf der Beifahrerbank.
    Yvonnes Schwestern Linda, Suzanne und Jean standen rauchend vor der Kirche und schnipsten die Asche in ihre Handflächen. Brian fand das, und ihre tiefen Ausschnitte, unpassend. Er hatte seit Jahren nicht mit ihnen gesprochen. Es hatte da einen unerquicklichen Zwischenfall bei einer Taufe gegeben. Seine Mutter hatte sich außerstande gesehen, ihm die Einzelheiten zu erzählen – sie sagte nur: »Alle hatten zu viel getrunken.« Vielleicht war das der Grund, warum sie ihn so gehässig anstarrten.
    Noch unverblümter starrten sie Titania an, musterten ihr Gesicht, das Haar, das schwarze Kostüm, ihre Handtasche und Schuhe. Wie konnte Brian es wagen, sein Flittchen öffentlich zur Schau zu stellen? Seine durchgeknallte Frau hatte die ganze Familie blamiert und jetzt auch noch beleidigt, indem sie der Beerdigung ihrer Schwiegermutter fernblieb.
    Sie machten Platz, um Alexander, Stanley Crossley und die Zwillinge vorbeizulassen.
    Ruby hatte die schlechte Stimmung gespürt und sich aufs Klo verdrückt. Sie schlüpfte erst in die Kirche, als alle schon saßen, verpatzte jedoch ihren Auftritt, weil der Wind ihr die schwere Kirchentür aus der Hand riss. Die Tür knallte so laut zu, dass der Pastor und die Trauernden, die kniend beteten, sich erschrocken zu Ruby umdrehten, die vor Schreck wie angewurzelt stehen blieb. Stanley Crossley, der eine Trauerbinde über seinem dunklen Anzug trug, saß auf einer der hinteren Bänke. Er stand auf und half Ruby den Gang hinunter nach vorn zu ihrer Sippe.
    Sie war empört, als sie aufgebockt neben dem Altar etwas erblickte, das aussah wie ein Pappkarton. Sie flüsterte Brian zu: »Wer hat das da in die Kirche gestellt? Wo ist Yvonnes Sarg?«
    »Das ist ihr Sarg«, flüsterte Brian zurück. »Er ist umweltfreundlich.«
    »Was soll das sein?«
    Der Pastor begann der kleinen Gemeinde zu erzählen, dass Yvonne in Sünde geboren und in Sünde gestorben sei.
    Ruby flüsterte Brian zu: »Sie wollte einen Sarg aus Walnussholz mit Messingbeschlägen und rotbraunem Satinfutter. Wir haben uns zusammen einen Katalog angesehen.«
    Brian sagte, aus dem Mundwinkel: »Ihre Bestattungsvorsorge hat nicht für Walnuss gereicht.«
    Der Pastor sah aus wie ein Dachs im Chorhemd. Mit seiner tuntigen Stimme sprach er: »Wir sind heute, an diesem fürchterlich feuchten und windigen Morgen, hier versammelt, um unserer Schwester Rita Coddington zu gedenken.«
    Die Gemeinde verzeichnete seinen Fehler mit wütendem Raunen und unterdrücktem Gelächter.
    Er fuhr fort: »Rita wurde 1939 als Tochter von Edward und Ivy Coddington geboren. Es war eine Zangengeburt, die Rita einen länglichen Kopf eintrug. Sie wurde in der Schule gehänselt, aber …«
    Ruby stand auf und unterbrach ihn: »Verzeihung, aber

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