Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
was Sie das reden, ist Quatsch. Die Frau in dem Pappkarton da ist Yvonne Biber. Ihre Eltern hießen Arthur und Pearl, und sie hatte einen ganz normalen Kopf.«
Der Pastor sortierte die Zettel an seinem Pult und sah sofort, dass er Yvonne Bibers Aufzeichnungen mit denen des nächsten Gottesdienstes durcheinandergebracht hatte. Er wandte sich wieder an die Gemeinde: »Ich kann nur mit den Informationen arbeiten, die ich bekomme. Bevor ich fortfahre, möchte ich noch ein paar Punkte abklären. Erstens, Kirchenlieder. Haben Sie sich ›All Things Bright And Beautiful‹ gewünscht?«
Brian sagte: »Ja.«
»Und ›Immer mutig vorwärts‹?«
Brian nickte.
»Und nun zur Popmusik. Hat sie sich ›Yellow Submarine‹ von den Beatles gewünscht, gesungen von Mr. Frankie Laine?«
Brian murmelte: »Ja.«
»War sie bis zu ihrer Hochzeit Lochkartenstanze- rin?«
Wieder nickte Brian.
Brian sagte laut: »Hören Sie, können Sie einfach weitermachen?«
Der Pastor verkündete: »Die Trauerrede hält Yvonnes Enkel Brian junior.«
Wer Brian junior kannte, beobachtete mit Sorge, wie er auf das Pult zuschritt.
Alexander stöhnte: »Oh, Gott bewahre, nein«, und drückte die Daumen.
Brian juniors Trauerrede war das erste Mal, dass er zu einem feierlichen Anlass in der Öffentlichkeit sprach.
Anfangs orientierte er sich an einer Internetseite namens Grabreden.com, dann improvisierte er.
Er sprach von den frühen Erinnerungen der Zwillinge an Yvonne. »Sie war superhygienisch, und wenn wir bei ihr übernachteten, nahm sie meinen Teddy und Briannes Affen und steckte sie in die Waschmaschine, damit sie am nächsten Morgen frisch und sauber waren.«
Er blickte sich in der Kirche um und sah die gemeißelten Säulen, Zeichen und Symbole, die er nicht entschlüsseln konnte. Draußen war es nicht besonders hell, aber das Buntglas leuchtete und hauchte den vertrauten biblischen Figuren darauf Leben ein.
»Sie hat Teddys Geruch weggewaschen«, sagte er.
In der ersten Reihe sagte Brianne: »Und Affis.«
Brian junior wischte sich die Augen mit seinem Jackettärmel und fuhr fort: »Ich weiß, einige von euch stören sich daran, dass Omas Sarg nicht gerade stabil aussieht, deshalb habe ich mich über den Verwesungsprozess des menschlichen Körpers informiert. Angesichts von Körpergröße und -gewicht und unter Berücksichtigung der Klima- und Temperaturschwankungen, gehe ich davon aus, dass ihr Sarg und ihr Leichnam in etwa …«
Brian rief: »Danke, Brian junior! Das reicht, mein Sohn.«
Der Pastor nahm eilig das Pult ein, und noch bevor Brian junior wieder an seinem Platz war, hatte er dem Organisten das Zeichen gegeben, das erste Lied anzustimmen: »Wir pflügen und wir streuen …«
Stanley und Ruby sangen mit Inbrunst, keiner von beiden brauchte ein Gesangbuch.
Ruby betrachtete Stanleys Gesicht und dachte: »Es ist erstaunlich, an was man sich mit der Zeit gewöhnt.«
Eva genoss die Stille im Haus. Es hatte aufgehört zu regen, und am Licht an den weißen Wänden sah sie, dass es auf elf Uhr zuging.
Draußen war es ruhig. Der Platzregen hatte einen Großteil der Menge verscheucht.
Sie dachte an Yvonne, die sie seit fünfundzwanzig Jahren mindestens zweimal pro Woche gesehen hatte. Sie kramte alte Erinnerungen hervor.
Yvonne am Meer, wie sie im Wind sandige Handtücher ausschüttelt.
Yvonne mit einem Kinderkescher, wie sie mit den Zwillingen Kaulquappen fängt.
Yvonne im Bett, wie sie wegen ihrer Arthritis vor Schmerzen weint.
Yvonne, wie sie sich über Norman Wisdom im Fernsehen totlacht.
Yvonnes klackernde Zähne beim Sonntagsessen.
Yvonne, wie sie mit Brian über die Schöpfungslehre diskutiert.
Yvonne, wie sie eine Zigarette in den Auflauf fallen lässt, den sie gerade serviert.
Yvonnes Entsetzen in einem Restaurant in Frankreich, als ihr Steak Tartar sich als rohes Fleisch entpuppt.
Mit Erstaunen stellte Eva fest, dass sie um Yvonne trauerte.
Wieder in der Kirche, führte der Pastor, stets bemüht, mit der Zeit zu gehen, die Gemeinde durch die letzte Strophe von »Yellow Submarine«.
Als das Lied endlich zu Ende war, sagte er: »Wissen Sie, das Leben ist wie eine Banane. Innen ist das Fruchtfleisch, aber die Schale ist grün, also wartet man, bis die Banane reif ist …« Er hielt inne. »Doch manchmal wartet man zu lange, und wenn es einem wieder einfällt, ist die Schale schwarz, und wenn man sie schließlich schält, was ist dann aus der schönen Frucht geworden?«
In der ersten Reihe sagte Brian
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