Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
dachte, es ist möglich, zwei Frauen zu lieben. Na ja, drei Frauen, wenn man meine arme Mutter mitzählt.«
»Du hast mir nie gesagt, dass du mich liebst«, sagte Titania und ihr Zorn verebbte. Sie sprach in Brians Ohr. »Oh, wow! Das wirkt wie ein Aphrodisiakum. Warum nehmen wir uns nicht eine kleine Auszeit, mein Eichhörnchen? Komm, wir gehen in den Schuppen.«
Irgendein Irrer klingelte Sturm.
Nach einigen Augenblicken, als niemand reagierte, sah Alexander Brian an und fragte: »Soll ich gehen?«
Brian blaffte: »Mach doch, was du willst.«
Alexander fragte: »Eva, soll ich?«
Sie nickte. Es war gut, einen Mann wie ihn im Haus zu haben, wenn ein Irrer vor der Tür stand.
Er salutierte ironisch und ging.
Titania reichte Eva den Stapel Briefe, den sie in der Hand hielt. »Die Hälfte ist Werbung, der Rest ist für dich.« Sie nahm Brian an die Hand wie ein kleines Kind.
Eva sagte: »Eichhörnchen?«
Mit Schrecken besah sie den Stapel Briefe. Die meisten waren an »Die Frau im Bett, Leicester« adressiert. Auf ein paar aus den Vereinigten Staaten stand: »An den Engel im Bett, England«. Auf einem aus Malaysia stand schlicht: »Eva, UK«. Nach den ersten drei schob Eva den Haufen fort.
Jeder Brief enthielt Kummer und falsche Erwartungen.
Sie konnte den Leuten nicht helfen, und die Last ihrer Sorgen war zu viel für sie.
Sie lenkte sich oft ab, indem sie im Kopf Listen erstellte, und jetzt starrte sie an die weiße Wand, bis ihre Sicht verschwamm, und wartete, bis sich ein Thema auftat.
Schlimmste Schmerzen
1. Geburt der Zwillinge
2. Von einem hohen Ast auf Beton stürzen
3. Finger in Autotür klemmen
4. Entzündete Brustwarzen
5. Ins Lagerfeuer fallen
6. Im Urlaub auf dem Bauernhof von einem Schwein gebissen werden
7. Zahnabszess an einem Feiertag
8. Vom Auto eingequetscht werden – als Brian zurücksetzt
9. Heftzwecke im Knie
10. Seeigel im Fuß, Mallorca
53
Am nächsten Tag erfuhr Eva eine ganz andere Art Schmerz, als Brian junior ihr über Alexanders Handy eine E-Mail schickte. Alexander druckte sie mithilfe einer komplizierten Abfolge von Wi-Fi-Geräten aus und brachte sie ihr, zusammen mit einer Tasse echten Bohnenkaffee.
Mutter, Telefonieren liegt mir nicht, darum lasse ich es von nun an sein. In Zukunft werde ich gelegentlich auf elektronischem Weg mit dir kommunizieren oder gar die Launen des Postwesens riskieren.
»Anmaßender kleiner Scheißer«, sagte Eva. »Für wen hält der sich – Anthony Trollope?« Sie las weiter.
Ich höre von meinem Vater, dass meine Großmutter väterlicherseits tot ist. Es wäre scheinheilig, wenn ich Traurigkeit vortäuschen würde, da ich Gleichgültigkeit für ihr Schicksal empfinde. Sie war eine törichte, alte Frau, wie die lächerliche Ursache ihres Todes beweist. Dennoch werde ich ihrer Beerdigung am Donnerstag beiwohnen. (Für Brianne kann ich nicht sprechen, sie hat an dem Tag ein Seminar beim göttlichen Gastprofessor Shing-Tung Yau. Das ist für einen Studenten im ersten Semester eine seltene Ehre. Obwohl ich befürchte, dass er nicht gerade begeistert sein wird, wenn er hört, was sie von Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten hält.)
Eva unterbrach sich. »Der arme Mann tut mir leid. Weißt du, Alexander, ich verstehe meine Kinder nicht. Hab ich nie.«
Alexander versicherte ihr: »Eva, niemand versteht seine Kinder. Weil sie nicht wir sind.«
Ernüchtert wandte sie sich wieder der E-Mail zu.
Da wir uns am Grab nicht begegnen werden, wird es dich vielleicht interessieren zu erfahren, dass mein Aufsatz über die Bohnenblust- Hille-Ungleichung für Polynome von den Annals of Mathematics für eine mögliche Veröffentlichung in der September-Ausgabe angenommen und dass mir ein Stipendium am St. John’s College in Oxford angeboten wurde. Letzteres werde ich wohl ablehnen. Oxford ist nicht Cambridge, und es gefällt mir hier. Ganz in der Nähe ist ein Café, wo es ein englisches Frühstück gibt, das ich mir leisten kann. Damit komme ich über den Tag. Abends reicht mir dann eine Scheibe Brot und ein Stück Edamer.
Eva versuchte, dieses Indiz für Brian juniors wachsende Wunderlichkeit einzuordnen. Die E-Mail beunruhigte sie. Er war immer der schwächere Zwilling gewesen – der später sprechen und laufen konnte – und derjenige, der am ersten Tag im Kindergarten an ihrem Rockzipfel hing. Doch dann fiel ihr ein, dass es auch Brian junior war, der Passanten mit seinem Lächeln bezaubert hatte, wenn sie mit den beiden in der Zwillingskarre
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