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Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)

Titel: Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Townsend
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und den Paketboten gebeten, es in den Kohlekasten zu legen – aber das setzt voraus, dass er Englisch lesen kann!«
    Angelica fragte: »Was ist ein Kohlekasten?«
    Yvonne blaffte: »Das ist ein Kasten, in dem man Kohle lagert.«
    Eva sagte: »Wollen Sie gar nicht wissen, wie alt der Kohlekasten ist?«
    »Nun, wie alt ist er denn?«
    »Er wird sechzig.«
    Es folgte ein großes Palaver, während der Boden gewischt, Kleidungsstücke ausgezogen und verbrühte Haut mit Salben behandelt wurden, die Yvonne aus ihrer großen Handtasche hervorzauberte. Während Yvonne einen Bademantel suchte, der groß genug für Barry war, und seine Socken und Hose wusch, verwickelte Angelica ihn in ein Gespräch.
    Sie begann mit: »Wie alt bist du, Barry?«
    »Ich bin sechsunddreißig«, sagte Barry. »Sag nicht, dass ich älter aussehe, das weiß ich. Liegt an den Nächten. Tagsüber kann ich nicht schlafen. Auf der einen Seite läuft Massive Attack, auf der anderen was Klassisches. Ich hab sie gebeten, es leiser zu stellen, aber es sind beides Arschlöcher. Über mir habe ich hohe Absätze und unter mir einen kläffenden Köter. Zieh nie in einen Neubau. Kein Wunder, dass ich verzweifelt war. Hätte ich nicht an Evas Tür geklopft, würde mein Kopf jetzt in einer Plastiktüte stecken, stimmt’s, Eva?«
    Eva sagte schwach: »Möglicherweise.«
    »Ich sag dir, diese Frau ist eine Heilige. Wer sonst hätte einem so verzweifelten Mann wie mir die Tür geöffnet?«
    Eva murmelte: »Die Seelsorge?«
    Barry fuhr fort: »Allein zu wissen, dass es jemanden auf dieser Welt gibt, der auf seinen Schlaf verzichtet, um mitten in der Nacht mit einem Fremden zu reden.«
    Eva sagte leise zu Angelica: »Ich hatte keine Wahl. Er hat sich gewaltsam Zutritt verschafft.«
    Angelica fragte: »Um wie viel Uhr genau war das?«
    Barry sagte: »Das war um drei Uhr siebenundzwanzig.«
    »Und wie haben Sie reagiert, als dieser fremde Mann sich gewaltsam Zutritt zu Ihrem Schlafzimmer verschafft hat? Erschrocken, bestürzt, entsetzt?«
    Eva sagte: »Nun, ich war auf jeden Fall überrascht.«
    Barry sagte: »Sie verdient einen Orden oder so.«
    »Würden Sie sich als mitfühlend bezeichnen?«
    Eva dachte kurz nach. »Nicht besonders.«
    Jeder Nerv in ihrem Körper war zum Zerreißen gespannt. Sie spürte, wie sich Zorn in ihr regte, wie ein Bär, der aus dem Winterschlaf erwacht. Sie versuchte, sich von der Gegenwart zu distanzieren und an andere Dinge zu denken. Sie begann, am Strand einer griechischen Insel entlangzulaufen. Das glitzernde ägäische Meer zu ihrer Linken, ihre gemietete Villa ein paar Schritte weiter zu ihrer Rechten. Doch wenige Augenblicke später verlor sie den Kampf und war wieder in ihrem Schlafzimmer bei ihren Peinigern.
    Barry schwafelte weiter: »Ich habe am Computer ein paar Freunde gefunden. Leute wie ich, die sich umbringen wollen. Ein netter Haufen, haben viel Spaß.«
    Angelica sagte: »Oft finde ich das Leben auch nicht lebenswert. Hast du die Internetadresse?«
    Barry kramte in seiner Jackentasche und zog ein kleines rotes Notizbuch hervor. Mühsam entzifferte er die Adresse. »Das ist Hängdichauf dot org.« Dann wandte er sich an Eva und fragte: »Ist Brian junior zu Hause? Ich würde mich gern bei ihm bedanken. Stört es Sie, wenn ich meinen neuen Freunden Ihre Adresse gebe?«
    Eva heulte auf: »Barry, nein!«
    Er sagte: »Sie sind zu bescheiden, Eva, die Leute sollten erfahren, was für eine tolle Frau Sie sind. Sie sollten Ihr Licht nicht unter den Dingsda stellen.«
    Eva rief: »Yvonne!«
    Sie hörte das schneckenartige Vorankommen ihrer Schwiegermutter auf der Treppe, bevor sie endlich das Zimmer betrat.
    »Yvonne, Barry und seine Freundin wollen jetzt gehen. Würdest du bitte seine Sachen holen?«
    Yvonne sagte: »Die werden noch nicht fertig sein, ich habe sie gerade erst in den Trockner geworfen. Wenn er sie jetzt anzieht, bekommt er eine Lungenentzündung.«
    Krampfhaft um eine ruhige Stimme bemüht, sagte Eva: »Das ist ein Mythos, den uralte Rentner aufrechterhalten. Man kann sich keine Lungenentzündung einfangen, indem man feuchte Socken und Hosen trägt. Wenn das so wäre, hätte meine ganze Schule nach einer Regenpause Lungenentzündung gekriegt.«
    Der aufgestaute Zorn brach aus ihr hervor. »Ich war die Hälfte meiner Kindheit nass oder feucht. Ein Gabardine-Regenmantel hält weder Schneestürmen noch Regengüssen stand. Ich habe in einem Zimmer geschlafen, wo ein Eimer in der Ecke stand, weil das Dach undicht war.

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