Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
der wunderbaren Eva Biber.‹ Sie wollte Sie kennenlernen.«
Angelica war ein kleines, zartes Mädchen mit undefinierbarem Haarschnitt. Die dicke Schminke konnte ihr eulenartiges Aussehen nicht kaschieren. Sie streckte Eva eine unmanikürte Hand entgegen. Ihre Stimme war hell und ohne jeden Akzent. Sie sagte: »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mrs. Biber. Ich finde es wundervoll, dass Sie Barry das Leben gerettet haben.«
Barry sagte: »Sie ist eine Heilige.«
Angelica fuhr fort: »Aber Vorsicht, ich glaube, es war Konfuzius, oder vielleicht auch Platon, der sagte: ›Wer einem Menschen das Leben rettet, der ist ein Leben lang für ihn verantwortlich.‹«
Barry sagte: »Nun, dagegen hätte ich nichts, aber ich weiß nicht, wie es Eva geht.«
Eva lächelte schwach und ließ das Händeschütteln unter halbherzigem Protest über sich ergehen.
Angelica fragte: »War das Ihre Schwiegermutter, die uns reingelassen hat?«
»Yvonne«, sagte Eva.
»Und wie alt ist Yvonne?«, fragte Angelica.
Eva sagte: »Wie alt? Keine Ahnung. Fünfundsiebzig, sechsundsiebzig?«
»Und wohnt sie hier?«
»Nein, sie kommt drei oder vier Mal am Tag vorbei.«
»Und Ihre Kinder?«
»Die sind siebzehn«, sagte Eva. Dann fragte sie sich: »Warum will sie wissen, wie alt jeder ist? Vielleicht ist das Mädchen autistisch.«
»Und Sie, wie alt sind Sie?«
Eva dachte: »Ja, sie ist autistisch.« Sie fragte Angelica: »Was glauben Sie denn, wie alt ich bin?«
»Bei älteren Leuten kann ich das nie sagen. Sie könnten eine jung aussehende Sechzig oder eine alt aussehende Vierzig sein. Wer weiß das schon in Zeiten von Botox?«
Eva sagte: »Nun, ich bin eine Fünfzig, die aussieht wie fünfzig.«
»Und wie lang wohnen Sie schon hier?«
»Sechsundzwanzig Jahre«, sagte Eva. Sie dachte: »Langsam wird’s langweilig.«
Angelica sagte: »Barry hat mir erzählt, dass Sie bettlägerig sind. Wie tragisch.«
»Nein, ich bin nicht bettlägerig, und es ist auch nicht tragisch.«
»Sie sind so tapfer. Heißt Ihr Ehemann Brian?«
»Ja.«
»Und wie alt ist er?«
»Er ist fünfundfünfzig.«
Yvonne kam ins Zimmer und fragte: »Möchten deine Gäste eine Erfrischung, Eva? Wir haben Tee, wir haben Kaffee, wir haben heiße Schokolade und natürlich haben wir diverse kalte Getränke. Und ich könnte wohl auch einen kleinen Imbiss bereiten.«
Eva wäre fast aus dem Bett gesprungen, um Yvonne zu erwürgen und die Treppen runterzuschubsen, so wütend war sie. Sie dachte: »Yvonne hat mich nie richtig gemocht, und hier ist der Beweis.«
Barry und das Mädchen drehten sich dankbar zu Yvonne um und sagten im Chor: »Heiße Schokolade.« Das brachte sie zum Lachen, und Barry bot Angelica den Suppensessel an. Er hockte sich auf die Lehne, und beide starrten Eva an. Eva warf sich aufs Kissen zurück. Yvonne ließ sich mit der Treppe Zeit, nicht ahnend, dass Eva jede Sekunde zählte, bis ihre ungebetenen Gäste wieder gingen.
Es folgten qualvolle fünfunddreißig Minuten, in denen Yvonne Barry und Angelica brühend heiße Becher mit Kakao servierte, welche sie prompt fallen ließen, als ihre Finger mit der fürchterlichen Hitze in Berührung kamen.
Die kochend heiße, braune Flüssigkeit spritzte auf Barrys Beine und lief über die weißen Dielen. Seine Nylonsocken hielten die Hitze, und er schrie vor Schmerz. Es gab ein Riesentrara, während Yvonne versuchte, die Flut mit einer Handvoll Toilettenpapier aufzuhalten.
Eva rief: »Kaltes Wasser! Stellen Sie Ihre Füße in kaltes Wasser!«
Aber niemand hörte zu.
Über Barrys Schmerzensschreie und Angelicas Kreischen hinweg blaffte Yvonne Eva an: »Gib mir nicht die Schuld, in diesem Zimmer kann man nirgends etwas abstellen! Warum musstest du auch alle Möbel wegschaffen?«
Eva lächelte kühl: »Kleiner Tipp, Yvonne, wenn du Becher mit kochend heißer Flüssigkeit verteilst, denk vorher an die Asbesthandschuhe.«
Yvonne schrie: »Ein Tipp, Eva? Hier ist einer für dich! Leute, die sich im Bett räkeln und Nabelschau betreiben, sollten sich nicht über Leute lustig machen, die tatsächlich etwas leisten! Ich sollte zu Hause sein. Ich bin heute nicht mal dran, mich um dich zu kümmern, eigentlich sollte Ruby hier sein! Aber stell dir vor! Praktischerweise hat sie mal wieder ›Kopfschmerzen‹. Dabei erwarte ich ein Päckchen von Amazon. Alan Titchmarshs Früher war alles besser, und sie waren so nett, eine signierte Erstausgabe für mich aufzutreiben. Ich habe einen Zettel an die Tür gemacht
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