Die Frau, die ein Jahr im Bett blieb (German Edition)
Ofen.«
»Einen Kuchen!«, sagte er und klang gleichermaßen verblüfft wie erfreut. Er drohte Ruby mit einem fetten Finger und sagte: »Sind Sie sicher, dass Sie keinen Braten in der Röhre haben?«
Ruby kreischte vor Lachen und hielt sich die Hände vors Gesicht. »Ich, einen Braten in der Röhre?« Wieder kreischte sie: »Ich bin neunundsiebzig! Man hat mir die Gebärmutter entfernt!«
Derek sagte: »Ich wette, Sie waren ein richtiges Luder, Ruby. Ach, allein der Gedanke an Sie, meine Liebe, macht mich ganz verrückt.«
Jo verdrehte die Augen und sagte zu Ruby: »Sehen Sie, was ich erdulden muss? Er ist unmöglich.«
Derek sagte: »Wir sind noch alte Schule, nicht wahr, Ruby? Zu unserer Zeit konnte man noch anzügliche Bemerkungen machen, ohne gleich von der Sexpolizei an die Wand gestellt zu werden.«
Ruby stimmte zu: »Heutzutage muss man ja Angst haben, den Mund aufzumachen. Immer tritt man gleich jemandem auf den Schlips. Ich weiß nicht mal mehr, wie man Schwarze nennt.«
Jo sagte nüchtern: »Schwarze. Man nennt sie Schwarze.«
Als Ruby den Tee einschenkte, schwärmte Derek: »Eine Teekanne, ein Milchkännchen, eine Zuckerschale, Porzellantassen und Untertassen und Apostellöffel!«
Ruby freute sich, dass endlich jemand die Feinheiten des Lebens würdigte.
Jo stellte die Kamera auf ihre drei Beine und fummelte am Objektiv herum. Sie murmelte in Dereks Richtung: »Das Licht ist gut«, und schaltete sie ein.
Derek sagte zu Ruby: »Darf ich Ihnen ein paar Fragen zu Ihrer Tochter stellen?«
Ruby fühlte sich geschmeichelt. »Natürlich dürfen Sie.« Es war immer ihr Wunsch gewesen, ins Fernsehen zu kommen.
Derek deutete auf Jo und sagte: »Sie muss ein Kabel an Ihnen befestigen, also, Achtung Ruby, sie kommt vom andern Ufer.«
Ruby stutzte.
Jo sagte: »Er versucht Ihnen zu sagen, dass ich lesbisch bin, und unterstellt, dass ich Sie sexuell belästigen will.«
Ruby guckte etwas ängstlich.
Derek sagte: »Schon gut, Ruby, unsere Jo hat das, was man eine ›gleichgeschlechtliche Lebensgefährtin‹ nennt, sie ist versorgt.«
Nachdem Ruby ihren fuchsienroten Lippenstift aufgetragen und man ein kleines Mikrofon an den Kragen ihrer Bluse gesteckt hatte, begann das Interview.
Derek sagte: »Wir müssen den Sound checken. Mrs. Brown-Bird, was haben Sie zum Frühstück gegessen?«
Ruby zählte auf: »Zwei Tassen Tee, Cornflakes, Ei, Speck, Würstchen, Blutwurst, gegrillte Tomate, frittiertes Brot, Bohnen, Pilze und Toast.«
Oben erwachte Eva aus einem beunruhigenden Traum. Sie war vor Michael Parkinson weggelaufen.
Als sie ganz wach war, tat sie, was sie immer tat. Sie schüttelte die Decke, klopfte die Kissen auf und sah aus dem Fenster. Sie sah einen Mercedes-Transporter mit der Aufschrift East Midlands Tonight gegenüber parken. Sie konnte Stimmen aus der Küche hören, darunter die ihrer Mutter.
Sie rief: »Mum!«
Einen Moment später hörte sie die Küchentür aufgehen und Schritte im Flur.
Die Stimme ihrer Mutter drang an ihr Ohr: »Diese Scheißstufen bringen mich noch um.« Sie schwankte in Evas Zimmer und ließ sich schwer in den Suppensessel sinken. »Warum lässt du keinen Treppenlift einbauen?«, keuchte sie. »Ich schaff das nicht mehr fünf- oder sechsmal am Tag.«
Eva fragte: »Wer ist unten?«
»Derek Plimsoll und eine Lesbe.«
Eva sah sie ausdruckslos an.
» Derek Plimsoll. Du kennst ihn. Er ist im Fernsehen. East Midlands Tonight. Am Ende macht er immer einen Scherz.«
Eva nickte.
»Na, der ist hier, und eine Lesbe. Ich habe ihnen gerade ein Interview gegeben.« Sie berührte ihr Ansteckmikrofon.
Eva sagte: »Hast du den Jackpot geknackt?«
»Nein, es geht um dich.«
»Um mich!«, sagte Eva.
»Ja, um dich«, sagte Ruby. »Derek Plimsoll liest den Mercury wie jeder in der Gegend. Er will dich für eine, wie er sagt, ›erweiterte Sendezeit‹ interviewen.«
Eva stand im Bett auf und trampelte mit den Füßen auf die Matratze. Sie schrie: »Auf keinen Fall! Lieber würde ich meine eigene Kotze essen! Geh nach unten und sag ihnen, dass ich nicht will.«
Ruby sagte: »Wie heißt das Zauberwort?«
Eva rief: »Bitte!«
Ruby war es nicht gewohnt, von Eva angeschrien zu werden. Unter Tränen sagte sie: »Ich dachte, du würdest dich freuen. Du kommst ins Fernsehen, Eva. Das heißt, du bist etwas Besonderes. Ich kann da nicht runter gehen und ihm sagen, dass du nicht willst. Er wird enttäuscht sein, ja untröstlich.«
»Er wird es verkraften«, sagte Eva.
Ruby hievte
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