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Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition)

Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition)

Titel: Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Grosz
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Parade Fußballstadions in Bradford ausbrach. Die genaue Analyse der Fernsehbilder ergab später, dass die Fans nicht sofort reagierten und weiter dem Spiel, aber auch dem Feuer zusahen, statt zu den Ausgängen zu laufen. Und immer wieder haben Untersuchungen ergeben, dass wir alten Gewohnheiten folgen, wenn wir uns endlich rühren. Wir misstrauen Notausgängen. Fast immer versuchen wir, den Raum durch dieselbe Tür zu verlassen, durch die wir ihn betreten haben. Forensische Ermittlungen nach einem Brand im berühmten Beverly Hills Supper Club ergaben, dass viele Gäste vorm Verlassen des Restaurants noch bezahlen wollten und in der Warteschlange gestorben sind.
    Nach fünfundzwanzig Jahren als Psychoanalytiker kann ich nicht behaupten, dass mich das überrascht. Wir sperren uns gegen Veränderung. Eine kleine Veränderung, selbst eine, die fraglos in unserem besten Interesse wäre, finden wir beängstigender, als eine gefährliche Situation zu ignorieren.
    Mit Nachdruck klammern wir uns an unsere Sicht der Dinge, an das Bekannte. Wir wollen wissen, auf welche neue Geschichte wir uns einlassen, ehe wir die alte beenden. Und wir nehmen keinen Ausgang, wenn wir nicht wissen, wohin er führt, auch dann nicht – dann vielleicht erst recht nicht –, wenn es sich um einen Notfall handelt. Dies gilt, setze ich eilends hinzu, gleichermaßen für Patienten wie für Analytiker.
    Seit ich Marissa Panigrossos Geschichte gehört habe, muss ich oft an sie denken. Ich male mir aus, in ihrem Büro zu sein, sehe den Computerbildschirm, die hohen Fenster und nehme die morgendlichen Gerüche wahr, Parfüm und Kaffee, und dann – der erste Absturz. Ich sehe Marissa zum Ausgang laufen, ihre Kolleginnen aber bleiben. Tamitha Freeman geht, kehrt jedoch ein paar Minuten später zurück, um die Babybilder zu holen. Und ich sehe mich selbst – im Südturm – und frage mich, was hätte ich getan?
    Ich möchte glauben, dass ich mit Marissa Panigrosso gegangen wäre, bin mir aber nicht so sicher. Vielleicht hätte ich gedacht: »Das Schlimmste ist vorbei.« Oder ich hätte mir vorgestellt, wie lächerlich es sein würde, wenn ich am nächsten Tag zurückkäme und alle hätten weitergearbeitet. Vielleicht hätte auch irgendwer gesagt: »Hey, geh nicht. Das Flugzeug ist in den Nordturm gestürzt, da muss der Südturm doch jetzt der sicherste Ort in ganz New York sein« – und ich wäre geblieben.
    Angesichts von Veränderung zögern wir, da jede Veränderung Verlust bedeutet. Wenn wir einen gewissen Verlust allerdings nicht akzeptieren – wie etwa Tamithas Babyfotos –, dann können wir alles verlieren.
    Man denke an den vierunddreißigjährigen Mark A., der gerade eine Geschwulst an seinen Hoden entdeckt hat, aber erst nach dem Griechenlandurlaub zum Arzt gehen will. Statt also den Termin wahrzunehmen, den ihm seine Frau besorgt hat, macht er ein paar Erledigungen und kauft Sonnenschutzcreme und bei Baby-Gap ein paar T-Shirts für die Kinder. »Das wird schon nichts Schlimmes sein«, sagt er. »Ich kümmere mich drum, sobald ich zurückkomme.« Oder da ist die sechsunddreißigjährige Juliet B., seit sieben Jahren mit einem Mann verlobt, der regelmäßig Affären hat, zu Prostituierten geht und sich gegenüber Klienten und Kollegen wie ein »Tyrann« aufführt. »Ich kann ihn nicht verlassen«, sagt sie. »Wo sollte ich denn hin? Was sollte ich tun?«
    Für Mark A. und Juliet B. ertönt die Feuersirene. Beide haben Probleme mit ihrer Situation, beide wollen Veränderung, warum säßen sie sonst beim Psychoanalytiker? Aber sie bleiben und warten – nur worauf?

Die Frau, die nicht lieben wollte
    Eigentlich wollte Sarah L. mit ihrem Freund übers Wochenende fortfahren, doch entscheidet sie sich in letzter Minute, bei ihren Freundinnen zu bleiben und fernzusehen. Überrascht wird sie von ihnen aufgefordert, sich das lieber noch einmal zu überlegen. »Als du letztes Mal mit Alex weggefahren bist, fandest du es phantastisch«, sagen sie, aber Sarah lässt sich nicht überzeugen. »Mir ist einfach nicht danach«, erklärt sie.
    Die attraktive, schlagfertige und erfolgreiche Sarah begann eine Analyse, weil sie festzustecken meinte – mit fünfunddreißig Jahren war sie für die Ehe bereit und wünschte sich eine eigene Familie. Während der letzten Jahre hatte sie ein paar Männer kennengelernt, die sie »vielversprechend« fand, nur hielt keine der Beziehungen lang. Sie kann nicht sagen, woran es lag, meint aber, sie hätte sich

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