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Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition)

Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition)

Titel: Die Frau, die nicht lieben wollte und andere wahre Geschichten über das Unbewusste (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Grosz
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war in den falschen Zug eingestiegen). Er verliert den gesunden Menschenverstand (legt die Brieftasche auf den Sitz, statt sie einzustecken). Er verliert den Abend (die Gelegenheit, mit seiner Frau zu feiern), und als die Brieftasche wiedergefunden wird, vergisst er es (verliert das Wissen darum) und ertappt sich dabei, in allen Taschen danach zu suchen. Sein größter Verlust allerdings war emotionaler Natur – im Verlauf des Tages verliert er das Glücksgefühl, das seinen Erfolg eigentlich begleiten sollte. In wenigen Stunden wurde aus dem Gewinner jemand, der sich als Verlierer fühlte.
    »Der Erfolg hat schon viele Menschen ruiniert«, soll Benjamin Franklin einmal gesagt haben. Da ist was Wahres dran, nur vergaß er zu erwähnen, dass wir meist selbst an diesem Ruin schuld sind.
    In dem amerikanischen Romancier William Styron hatte dieses Problem geradezu Gestalt angenommen. Er beschreibt in seinen Memoiren Darkness Visible , wie er aus New York nach Paris kam, um den angesehenen Prix mondial Cino Del Duca entgegenzunehmen, einen jährlich an herausragende Wissenschaftler oder Künstler verliehenen Preis. Vier Monate vor der Preisverleihung begann es, mit Styron bergab zu gehen, seit dem Tag nämlich, an dem man ihm mitgeteilt hatte, dass ihm der Preis zugesprochen worden war. »Hätte ich meine geistige Verfassung damals vorhersehen können, hätte ich den Preis überhaupt nicht angenommen«, schrieb er. Sein Tag des Triumphes wurde zu einem Albtraum – »Trübsinn ergriff mich, ein Gefühl der Angst und Entfremdung, vor allem aber eine lähmende Furcht«.
    Styron kam zwar zur Preisverleihung, ließ dann aber Madame Del Duca, seine Gönnerin, unvermittelt wissen, er habe beschlossen, das ihm zu Ehren geplante Bankett – ein Teil der Festivitäten, der seit Monaten feststand – ausfallen zu lassen, weil er sich mit einem Freund treffen wollte. Verblüfft von ihrer Reaktion und entsetzt über sein eigenes Verhalten, entschuldigte er sich bei Madames Assistentin. »Ich bin krank«, sagte er, »ich habe ein problème psychiatrique .« Letztlich blieb Styron dann doch zum Bankett, nur um während des Festessens festzustellen, dass er sowohl den Scheck über die fünfundzwanzigtausend Dollar Preisgeld wie auch sein emotionales Gleichgewicht verloren hatte. Von innerer Pein geplagt, vermochte er weder zu sprechen noch etwas zu sich zu nehmen; sein Erfolg trieb ihn an den Rand des Selbstmordes.
    Psychoanalytikern ist Styrons Problem nicht unbekannt: Es gibt viele Männer und Frauen, die hart arbeiten, um ein Ziel zu erreichen und erfolgreich zu sein, um dann urplötzlich und auf katastrophale Weise zusammenzubrechen. Nur was sind das für unbewusste Kräfte, die bewirken, dass wir uns selbst – manchmal auf fast unmerkliche Weise – sabotieren, sobald wir einen Erfolg errungen haben?
    Vorab sei gesagt, dass wir zu scheitern drohen, wenn wir nicht begreifen, dass jeder Gewinn auch einen Verlust bedeutet.
    Vor drei Jahren hatte ich einen Patienten namens Adam R., einen Lehrer, der sich über die Maßen freute und gleich darauf gefährlich depressiv reagierte, als man ihn zum Direktor einer bekannten Schule ernannte – eine Stelle, die er sich schon immer gewünscht hatte, die es aber mit sich brachte, dass er in eine andere Stadt ziehen musste. Bei unserer ersten Begegnung erzählte er mir von seiner Vergangenheit – ähnlich bedrückt hatte er sich nach dem Kauf der ersten Wohnung und nach seiner Hochzeit gefühlt. »Ich will ja Direktor werden«, sagte er, »aber ich habe nie daran gedacht, wie schwer mir der Umzug fällt. Mein ganzes Leben habe ich hier verbracht.« Wie so viele von uns hat es Adam völlig überrascht, welchen Verlust ein Gewinn manchmal nach sich zieht.
    Durch unsere gemeinsame Arbeit fanden Adam und ich heraus, dass ihn nicht allein der Umzug deprimierte. Unbewusst war er davon überzeugt, dass er mit jeder Leistung dem Vater etwas wegnahm. »Es gefällt mir nicht, gerade dann Direktor zu werden, wenn mein Vater in den Ruhestand geht«, sagte Adam. Ich wies ihn darauf hin, dass das eine nichts mit dem anderen zu tun hatte. »Weiß ich ja«, erwiderte er, »aber ich finde es trotzdem irgendwie aggressiv. Zum ersten Mal in meinem Leben verdiene ich mehr als mein Vater.«
    In Daniels Fall galt seine, wie auch meine, erste Vermutung spontan dem Verdacht, dass der Verlust der Brieftasche auf einen ähnlichen Hang verwies, den eigenen Erfolg zunichtemachen zu wollen. Außerdem sorgte er

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