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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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nach unten. Der Sarkasmus legt mir keine Worte in den Mund, sondern macht sich lediglich durch den ihm eigenen bitteren Beigeschmack bemerkbar.
    Erschöpft frage ich nach, was passiert sei, und Thomasina ­erzählt mir ihre Geschichte. Sie ist langatmig, verwickelt und voller Rechtfertigungen. Wahrscheinlich ist sie auch teilweise falsch, da sie nach einem Alkoholnebel und dem herben Schock der Demütigung speziell für mich montiert und abgepackt wurde. Ich möchte mich nicht in dieses Drama hineinziehen lassen – Ma’am, bitte nur die Fakten  –, kann es aber nicht verhindern. Ich möchte immer noch an Thomasina glauben, möchte sie immer noch aus ihrer finsteren Höhle kriechen und gewinnen sehen. Die Hoffnung stirbt zuletzt, auch wenn sie schon ziemlich ramponiert ist. Meine unverwüstliche Hoffnung kann Freundschaft sein, aber auch Verdrängen.
    Lange Rede, kurzer Sinn: Thomasina hatte einen Schwips und hob zehntausend Dollar von ihrem Girokonto ab, um sich ein silbernes Aphrodite-Kleid und ein paar coole Accessoires zu kaufen. Den Rest setzte sie an einem Pokertisch, an dem mit hohen Einsätzen gespielt wurde. Sie gewann, verlor, gewann, verlor. Verließ den Tisch in etwa mit der gleichen Summe in ihrer schmalen Satin-Clutch, mit der sie gekommen war. Fühlte sich ziemlich gut. Sie war schließlich kein Dummkopf. Sie war Daddys kleine Zockerin mit einem Köpfchen wie ein flotter ­Mikroprozessor und genau der richtigen Portion Mut. Und diesen Augenblick nutzte der clevere Max, machte sie betrunken, kippte irgendetwas in ihr Glas, das sie völlig durchdrehen ließ. Er hatte sie quasi zurück aufs Zimmer tragen müssen, wo sie dann auf dem Bett in Tiefschlaf fiel. Als sie wieder aufwachte, lag die Satinhandtasche geöffnet auf der Kommode, nur noch ein Lippenstift darin. Max’ Kleider waren aus dem Schrank verschwunden. Sie rief ihn auf seinem Mobiltelefon an. Wie sich herausstellte, war er bereits wieder in Boston. Erzählte ihr, sie habe einen Blackout gehabt und ihr gesamtes Geld verspielt und ihm mit ihren Fingernägeln das Gesicht zerkratzt, als er versuchte, sie von dem Spieltisch wegzuziehen. Sagte, sie sei eine kranke, gefährliche Frau und er wolle sie nie wiedersehen.
    Ich steige aus dem Bett und gehe leise in die Küche, um Noah nicht zu wecken. Ich halte den Hörer immer noch ans Ohr gedrückt, auch wenn am anderen Ende nichts als Rechtfertigungen und Selbstmitleid zu hören sind. Ehrlich gesagt, bin ich erleichtert. Sie hat le­diglich Geld verprasst, es geht nicht um Fahrerflucht oder eine Festnahme wegen Drogenbesitzes. Ich schenke mir ein Glas Milch ein und nehme ein paar Minzkekse aus einer Schachtel Girl Scout Cookies.
    Thomasina räuspert sich und fragt, ob ich wissen möchte, was wirklich passiert ist.
    »Ja, klar.« Erzähl jetzt besser keinen Müll. Ich beiße in einen Keks.
    »Der Dreckskerl hat mein Geld geklaut. Ich habe sogar unter meinen Fingernägeln nachgesehen, um ganz sicher zu sein, und da war nicht ein Hautfetzen!«
    Worüber ich nur den Kopf schütteln kann. Sie hat’s echt drauf.
    »Glaubst du mir?«, fragt sie kleinlaut, aber dennoch fordernd.
    Ich wische ein paar Krümel beiseite, trinke einen Schluck Milch aus dem kühlen Glas und stelle es auf den Küchentisch. Glaube ich ihr? Thomasina ist es absolut zuzutrauen, zehntausend Dollar in einem Blackout zu verzocken, auch schon wenn sie ­nur ordentlich abgefüllt ist. Wenn Max mit einem zerkratzten Gesicht davongekommen ist, hat er Glück gehabt, angesichts dessen, wozu sie meines Wissens fähig ist. Aber Max ist auch kein Engel. Er hat sie die ganze Zeit angelogen. Sollte er im Zuge seines zwielichtigen Vorhabens – welcher Art es auch immer sein mag – tatsächlich echte Gefühle für sie entwickelt haben, dann ist er dumm wie Brot. Denn welcher vernünftige Mensch möchte schon mit einer Frau zusammen sein, die sich normalerweise vor dem Frühstück erbricht? Außer, man hat es darauf abgesehen, dass es bei ihr immer genug Alkohol und Drogen und schicke Zockerklamotten gibt. Und wenn man sie heiratet, hätte man natürlich automatisch Zugriff auf all die Kohle, die jeden Monat von ihrem Treuhandfonds überwiesen wird. Kohle, die sie zur Hälfte gar nicht braucht und sich einfach auf ihrem Konto ansammelt, weswegen eine Entnahme in Höhe von zehntausend Dollar auch keine so große Sache ist. Fakt ist, Thomasina fleht die Welt geradezu ständig an, sie auszu­nutzen.
    »Pirio? Bist du noch da?«
    »Ich denke nach.

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