Die Frau die nie fror
wie ein Connaisseur bei der Weinverkostung. Wahrscheinlich hat er bislang seine Nase noch nie voll erfahren. Jeden Duft registriert er mit einem kleinen Nicken. Als er das Zibet in die Hand nimmt, reißt er den Kopf jäh zurück. »Oh weh!«
Ich lächle. »Willst du was Verrücktes hören?«
»Ja.«
»Das stammt vom Anus der Zibetkatze.«
»Anus?«
»Hintern.«
»Mann!« Noah bekommt große Augen.
»Ziemlich schräg, hm? Es ist ein ganz normaler Bestandteil von Parfüms. Stell dir mal vor, all die schicken Ladys, die sich Shalimar und Chanel No. 5 hinter die Ohren tupfen, reiben sich tatsächlich Katzenpopo hinters Ohr.«
»Cool!«
Die Inhaberin knurrt fast und beginnt eilig ihre Flakons wieder zu verkorken. Doch für Noah ist der Ausflug durch diese obskure, aber auch irrelevante Tatsache ein voller Erfolg.
*
Zu Hause fülle ich zwei Becher mit heißer Schokolade. Noah kippt noch eine Handvoll winziger Marshmallows in seinen Becher. Ich frage ihn, ob ich die Fotos an meinen Computer schicken und von seinem Telefon löschen darf.
Sein Blick verfinstert sich. »Nein. Die gehören mir.«
»Okay. Alles klar.« Noah besteht nicht sehr häufig darauf, seinen Willen durchzusetzen, aber wenn er es tut, ist es sehr schwer, ihn umzustimmen, besonders, wenn er im Recht ist. Die Bilder wurden ihm von seinem Vater geschickt. Natürlich will er sie nicht preisgeben. Besser, ich ziehe erst mal den Kopf ein und komme später wieder darauf zurück. Zum Glück wechselt er selbst das Thema, wenngleich nicht auf sicheren Boden.
»Warum willst du wissen, wie Max riecht?« Er berührt den Rand seines Bechers, trinkt jedoch nicht. Er wartet gern, bis die Marshmallows klebrig geworden sind.
»Ich schätze … hmmm.« Er hat mich unvorbereitet erwischt, und ich weiß nicht, was ich antworten soll. Wahrscheinlich wird er Max noch öfter sehen, und ich möchte nicht, dass er Angst vor ihm hat.
»Warum, Pirio? Warum wolltest du das wissen?« Er sitzt stocksteif da, genau wie Thomasina, kurz bevor sie explodiert.
Ich sehe nicht, wie ich mich herausmanövrieren könnte. »Ich habe sein Eau de Cologne in meiner Wohnung gerochen. Ich glaube, er war mal hier und hat nach deinem Handy gesucht, als ich nicht zu Hause war. Deshalb wäre es besser, wenn wir die Fotos von deinem Handy runterholen und sie stattdessen an meinen Computer schicken.«
Er senkt den Kopf. Er legt seine Lippen an den Becher und schlürft. Der Kakao spritzt auf den Tisch. Er pustet hinein, macht Blasen, schindet Zeit. Er weiß, ich verschweige eine ganze Menge. Er weiß ebenfalls, dass auch ich ziemlich stur sein kann. Mit direkten Fragen wird er wahrscheinlich nicht sehr weit kommen, und es gibt ohnehin viel zu viele Fragen. Er weiß nicht, wo er anfangen soll. Er scheint zu einer Entscheidung zu gelangen, hebt den Kopf und stellt die eine Frage, die er wirklich stellen will. »Wird meine Mom ihn heiraten?«
»Schwer zu sagen. Sie haben sich ja gerade erst kennengelernt. Manchmal sind Erwachsene am Anfang einer Beziehung ganz hin und weg, dann verläuft es sich aber.«
»Sie fragt aber dauernd, ob ich ihn mag. Sie sagt, er ist wirklich richtig nett und ich müsste ihm eine Chance geben. Aber ich mag ihn nicht. Ich will, dass er weggeht.« Er hat die Fäuste geballt, aber in seiner Stimme ist die Verletzlichkeit deutlich zu hören.
»Ach, Noah. Im Moment ist alles ein ganz furchtbares Chaos. Eine Menge Dinge müssen geregelt werden. Mit Max, mit deiner Mutter. Mit all den Sachen, die gerade passieren. Im Moment müssen wir einfach eins nach dem anderen machen. Die Fotos, zum Beispiel. Erlaubst du mir bitte, dass ich sie von deinem Handy runterhole und auf meinem Computer speichere, wo du sie dir wann immer du willst ansehen kannst?«
»Das sind meine! Das sind mein e ! «
»Tut mir leid, Noah. Ja, es sind deine.«
»Du sagst mir nicht, was los ist! Was sind das für Bilder? Warum sagst du es mir nicht? Warum sagt mir keiner irgendwas? Jeder hat Geheimnisse, und keiner interessiert sich für mich !«
»Ach, Noah. Du bedeutest mir was. Du bedeutest mir sogar sehr viel.« Ich möchte ihn in die Arme nehmen, aber er ist viel zu wütend. Seine Augen lodern, und seine Stimme ist ganz rau vor aufgewühlten Emotionen.
»Tust du gar nicht! Tust du gar nicht, Pirio! Du interessierst dich gar nicht für mich!«
»Bitte, Noah.«
»Warum darf ich dann nicht bei dir wohnen? Ich kann auf der Couch schlafen. Ich mache auch selbst sauber, und ich bin auch ganz
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