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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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still und leise, versprochen. Ich versprech’s dir, Pirio!«
    »Ach, Noah.« Tränen steigen mir in die Augen. »Ach, Süßer.«
    Es folgt eine unheimliche Stille. Sein Blick ist offen, voller Schmerz und Hoffnung. Mir dreht sich der Magen um angesichts der harten Worte, die ich nun sagen muss. »Ich werde immer deine Freundin sein, Noah. Und ich hoffe, du wirst auch immer mein Freund sein. Ich möchte, dass wir beide allerbeste Freunde sind, solange du das willst.«
    Er atmet scharf durch die Nase ein, hält die Luft an, die Brust gereckt. Dann fegt er mit dem ganzen Arm beide Tassen Kakao vom Tisch. Sie knallen gegen einen niedrigen Schrank und zerbrechen. Porzellansplitter liegen in einer sich ausbreitenden Lache auf dem Boden, überall Kakaospritzer.
    In seinen Augen sehe ich Thomasinas Leidenschaft. Und etwas Solides, Ehrliches und Mutiges. Wie bei Ned.
    »Ich hab dich lieb, Noah.« Die Worte sind draußen, bevor ich sie zurückhalten kann, die Worte, die ich nicht sagen wollte. Und all die Worte, die danach kommen – die danach kommen müssen , wenn sie wahr und bedeutsam sein sollen –, warten in meiner Kehle.
    »Pirio, ich hab dich auch lieb.« Dann liegt er in meinen Armen, und wir drücken und wiegen uns still.
    Ich streiche ihm die Haare aus den Augen. »Noah, jetzt hör mir mal zu. Ich verspreche dir, ich werde mich um dich kümmern, falls irgendwas … jemals … passiert.«
    Da. Es ist draußen. Das Versprechen ist gegeben. Es gibt kein Zurück mehr.
    Er wird ganz still und ruhig, als hätte er mich nicht gehört. Aber ich weiß, er hat.
    Ein Frieden legt sich über uns beide.
    Als er an diesem Abend schläft, rufe ich Thomasinas Mobilfunknummer an. Ungefähr zwanzigmal. Ich hinterlasse fünf oder sechs Nachrichten, dränge sie, mich zurückzurufen, und beruhige sie, mit Noah sei alles in Ordnung. Schließlich rufe ich das Hotel an. Sie haben unter ihrem Namen eingecheckt, was mir komisch vorkommt, bis ich begreife, dass sie wahrscheinlich zahlt. In ihrem Zimmer meldet sich niemand, also hinterlasse ich eine weitere Nachricht beim Concierge.
    Ich gehe mit Noahs Handy in mein Schlafzimmer und maile die Fotos an meinen Computer und mein iPhone. Anschließend lösche ich sie von seinem Telefon. Morgen werde ich Noah sagen, was ich getan habe. Ich werde ihm erklären, dass ich die Fotos zurückgebe, sobald ich herausgefunden habe, was auf ­ihnen zu sehen ist. Bis dahin können wir es nicht riskieren, dass Max sie findet. Ich werde ihm sagen, ich sei ziemlich sicher, dass sein Dad genau das von uns erwartet hätte. Ich hoffe, Noah wird das okay finden.
    *
    Kurz vor Tagesanbruch geht der Vibrationsalarm meines Mobiltelefons los.
    »Pirio, bist du das?« Ihre Stimme klingt matt und weit weg.
    »Wie ist der Roulettekessel zu dir?«, frage ich noch schlaftrunken.
    »Ich bin nicht mehr da. Ich bin zu Hause.«
    »Du bist zu Hause? Wann bist du zurückgekommen?«
    »Vor ein paar Stunden.«
    Die Angst setzt ein, sie braucht inzwischen nur noch wenige Sekunden. »Was meinst du damit?«
    »Schläft Noah?«
    »Natürlich schläft er. Es ist fünf Uhr früh. Er liegt auf der Couch im Wohnzimmer.«
    »Wie geht’s ihm?«
    »Prima«, antworte ich angespannt. Sie steckt offenbar in Schwierigkeiten. »Was ist los?«
    Ein tiefes Seufzen, aus dessen Mitte ein Schluchzen perlt. »Ich hab Scheiße gebaut. Aber so richtig.«
    Ich höre zu, während sie leise weint. Ich bin wütend, obwohl ich nicht ganz sicher bin, warum. Und müde.
    »Bitte, Pirio. Ich weiß, was du jetzt denkst.«
    »Möchtest du herkommen?«
    »Ich will nicht, dass Noah mich so sieht.« Wieder diese winzige Stimme, das erstickte Schluchzen.
    »Wo ist Max?«
    »Er hat mich verarscht. Oh, mein Gott, was hat er mich verarscht.«
    Meine Magengrube möchte sich am liebsten aus dieser Unterhaltung verdrücken. Meine Schädeldecke möchte abzwitschern. Ich denke daran, wie schön warm es in meinem Bett ist und dass ich mich an diesem Morgen nicht mehr hineinlegen werde.
    »Ich nehme an, er ist nicht bei dir, oder?« Sie wirkt ziemlich nüchtern. Zum Kotzen nüchtern.
    »Wenn er da wäre, würde ich ihm das Herz herausreißen und es ihm in den Rachen stopfen.«
    Jetzt drehe ich langsam durch. Zuckersüßes Mitleid und ­boshafter Sarkasmus liefern sich in mir einen Kampf. Das Mitleid möchte herausbrüllen: Ach, Thomasina, warum musst du dir diese saudumme Scheiße nur immer wieder antun? Als wäre dein Leben eine einzige lange Fahrt mit dem Fahrstuhl ganz

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