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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Ich rufe dich wieder an.« Ich beende das Gespräch und sehe nach Noah. Er schläft auf der Seite, atmet ruhig, dunkle Wimpern ruhen auf bleichen Wangen. Ich kehre in mein Zimmer zurück, setze mich aufs Bett, trinke die Milch aus, esse den letzten Keks. Ich gehe duschen, ziehe mich an und rufe Thomasina zurück.
    »Was zum Teufel soll ich deiner Meinung nach mit all dem Scheißmüll, den du gerade bei mir abgeladen hast? Dein Geld oder deine blöde kleine Affäre sind mir scheißegal! Ich bin es ja so was von leid, dass du dauernd Scheiße baust. Es reicht, ich will nicht mehr. Verdammt noch mal, Thomasina! Das nächste Mal ruf bitte jemand anderen an!« Ich drücke wütend auf die Beenden-Taste, und mir ist danach, das Telefon einfach gegen die Wand zu knallen.
    Zwei Sekunden später vibriert es wieder. »Okay, okay. Ich hab’s verdient. Du hast absolut recht, sauer zu sein. Bitte, mach, brüll mich an. Sag mir, dass ich eine nichtsnutzige Nutte bin.«
    »Warum? Damit du in Selbstmitleid zerfließen und in noch mehr Schnaps ertrinken kannst?«
    »Du hasst mich jetzt, stimmt’s? Ich habe dich als Freundin ­verloren. Jetzt hasst du mich auch noch, genau wie alle anderen.«
    Ich beiße nicht an. Ich hasse sie nicht. Ich kann es nicht. Ich vermisse einfach nur die alte Thomasina, die Frau, auf die irgendetwas Gutes zu warten schien.
    »Zieh dich nicht zurück, Pirio. Das machst du sonst immer. Du wirst so kalt, so distanziert. Ich fühle mich wie nach Sibirien verbannt. Das ist viel schlimmer als Geschrei. Bitte, brüll und schrei, wenn du sauer bist. Hau auf den Tisch, irgendwas. Ich hab’s verdient, runtergemacht zu werden.«
    »Gib Galahad noch ein bisschen mehr Zeit mit dir. Ich mach jede Wette, er legt noch mal nach.«
    »Das war gemein.«
    »Du hast es nicht anders verdient. Das und noch mehr.«
    »Du bist der einzige Mensch, mit dem ich reden kann.«
    »Wirklich? Wo ist denn Madame Jeanne?«
    »Ich hasse es, wenn du so sarkastisch bist.«
    »Ich? Oh, richtig. Reden wir über mich. Zuerst bin ich kalt. Jetzt sarkastisch. Man könnte meinen, ich wäre hier die mit dem Problem.«
    »Tut mir leid. Ich gehe zu den AA.«
    »Wer’s glaubt, wird selig.«
    »Werde ich. Ich habe zehn Tage nichts getrunken. Hab ich wirklich, und ich kann’s wieder tun. Noah zuliebe.«
    »Nicht für Noah. Für dich selbst. Weil du nämlich Scheiße noch mal besser bist als das hier, und das weißt du auch. Zuerst machst du es für dich selbst. Dann für Noah.«
    »Ja, du hast recht. Für mich.« Ihre Stimme ist ganz klein, probiert es mit Selbstachtung. Eine Pause, dann ein versuchter Rückzieher. »Ich hab eigentlich gar nicht so viel getrunken, als ich an dem Pokertisch saß. Nur ein p-«
    »Oh, bitte. Stopp. Wenn du diesen Satz zu Ende sprichst, schwöre ich dir, werde ich nie wieder auch nur ein Wort mit dir reden.«
    »Du hast ja recht. Es tut mir leid. Kann ich rüberkommen?«
    »Ja.«
    Kurzes Schweigen, ein Seufzer. »Ich hab Angst, Pirio, dass ich es nicht schaffe. Ich habe es schon so viele Male versucht. Und jetzt hasst mich jeder. Ich kann mich selbst nicht ausstehen …«
    Der Anruf wird unterbrochen, während sie noch redet, aber nicht ich habe aufgelegt.
    Ich setze mich an den Küchentisch und warte auf sie.
    Wenn Thomasina betrunken ist, dann ist sie grauenhaft emotional. Das ist natürlich nicht schön, aber auch nicht besorgniserregend. Denn immerhin, es ist ja nur Trunkenheit. Der Zustand jedoch, in dem sie sich jetzt befindet – das ist etwas anderes. Dieser Krank-nüchtern-verkatert-Zustand ist der Moment, an dem ihr etwas zustoßen könnte. Wenn sie sich ihrer Plattitüden bewusst und auch klar genug ist, dass sie ihr peinlich sind; wenn sie nach Vergebung lechzt, die sie – wie sie selbst nur zu genau weiß – nicht verdient; wenn sie sich nach Klarheit sehnt und dann ihr erstklassiges logisches Denken einschaltet, um der ganzen Welt die Schuld zu geben, dabei weiß sie genau, dass sie sich anlügt. Ich will gar nicht darüber nachdenken, was ihr alles passieren könnte. Ich hoffe nur, dass sie bald hier ist, damit ich aufhören kann, mir Sorgen zu machen. Anschließend werde ich froh sein, wenn sie wieder geht. Ein Paradox, das sicher jeder versteht.
    Noah taucht in der Tür auf. Barfuß, zart gebaut. Zweifellos auch hungrig. Noch ein Beweis dafür, wie schlecht ich für die Erziehung von Kindern geeignet bin: Allein das dreimal tägliche Füttern eines Kindes scheint mir eine sehr mühselige

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