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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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herüberbringt und auf dem Tisch aufklappt, den Bildschirm zu mir gedreht. Troy klickt sich zu einem gespeicherten Video durch.
    Sonnenlicht schimmert durch die Äste von Ulme und Eiche. Thomasina und Noah gehen zur Schule. Noah hat seinen Rucksack auf, Thomasinas Haar ist offen und glänzt frisch gewaschen. Sie sind auf einem Bürgersteig. Wenig Verkehr auf der Straße. Ein gepflegtes Wohngebiet in der Nähe von Thoma­sinas Wohnung. Die Kamera folgt ihnen in einer Entfernung von etwa zehn Metern.
    Szenenwechsel. Noah steht an einer belebten Ecke vor der Schule in einer Gruppe von Kindern, alle mit Rucksäcken. Es ist Nachmittag. Er sieht müde aus. Lärm von Kindern und Autos. Ein Schülerlotse hält den Verkehr an und fordert die Kinder auf, die Straße zu überqueren. Die meisten gehen unbekümmert los. Noah zögert, wirft einen Blick nach links, dann nach rechts und schließlich wieder nach links. Nur für den Fall, dass der Schülerlotse nicht richtig aufgepasst hat und ein rebellierender Autofahrer auf sie zuhält. Noah ist nicht so dumm, sich komplett auf das Urteil von Erwachsenen zu verlassen.
    Im nächsten Bild geht er allein durch dasselbe Wohngebiet. Die Kamera ist nah an ihm dran, viel zu nah. Noah dreht sich nicht einmal um. Ich werde von Panik ergriffen und hole mehrmals tief Luft.
    »Wollen Sie jetzt reden?«, fragt Hall.
    »Ich weiß nicht. Sie haben mir eine Menge Stoff zum Nachdenken gegeben.«
    »Ja, ganz schön viel, nicht?«
    »Ich muss wissen, dass er zu Hause bei seiner Mutter in Sicherheit ist. Ich rede keinen Ton mit Ihnen, bevor Sie mir das nicht bewiesen haben.«
    »Dass das Kind einstweilen in Sicherheit ist, werden Sie mir wohl einfach glauben müssen.«
    »Ich wäre ein Idiot, wenn ich Ihnen überhaupt etwas glaube. Ich brauche irgendeine Art Beweis und eine Garantie, dass ihm nichts passieren wird. Nur dann erzähle ich Ihnen alles. Und wenn ich erfahre, dass Sie mich angelogen haben, oder wenn ihm von Ihnen oder irgendeinem Ihrer Leute jemals auch nur ein Haar gekrümmt wird, werde ich Jagd auf Sie machen und Sie kaltblütig zur Strecke bringen. Das verspreche ich Ihnen.«
    Hall erhebt sich, ein dünner Strich aus Knochen und schlaffen Muskeln. »Sie machen hier keine Deals, Ms Kasparov. Sie können entweder jetzt mit mir reden oder heute Abend, nachdem Sie etwas Zeit hatten, über alles nachzudenken. Sie haben die Wahl.«
    Ich starre ihn an, kein Laut kommt über meine Lippen.
    »Gut, dann so. Ich werde Sie den Rest des Tages mit Troy ­allein lassen. Sagen wir, so fünf, sechs Stunden. Wir kommen später zurück, und dann sehen wir mal, wie’s Ihnen so geht.«
    Ich reiße mit den Handgelenken an den Handschellen. »Nehmen Sie die hier ab.«
    Hall lächelt. »Aaah, da bin ich Ihnen aber weit voraus.«
    Meine Handschellen werden mir von Brock schnell abgenommen, aber bevor ich Zeit habe, wieder so etwas wie Gefühl in meine frisch befreiten Handgelenke zu schütteln, werden meine Hände auch schon rechts und links an die Tisch­beine gefesselt. Meine Arme werden dabei so weit zur Seite gestreckt, dass meine rechte Wange sich fest auf die Tischplatte drückt. Ich kann nicht mal mehr den Kopf drehen. Dann werden meine Knöchel an dieselben Tischbeine gefesselt. Ich werde auseinandergezogen, bin geplättet wie der Road Runner, wenn er gegen eine Wand rennt. Es tut saumäßig weh. Wenn sie mir den Stuhl unter dem Hintern wegtreten, werden meine Schulter- und Hüftgelenke durch mein Körpergewicht ausgerenkt.
    Zum Glück tun sie das nicht. Fünfzehn Zentimeter von meinem Kopf entfernt klappert der Schlüssel auf den Tisch. Die Tür geht auf, und der Raum füllt sich mit dem Lärm der Maschinen. Dann fällt sie mit einem leisen Klick wieder ins Schloss.
    Es ist völlig sinnlos, gegen den Maschinenlärm anschreien zu wollen, außerdem ist sowieso niemand da, der mir helfen würde. Behutsam versuche ich, eine meiner Schultern zurechtzurücken, um zu sehen, ob ich es für sie irgendwie bequemer machen kann. Sofort schießt ein scharfer Schmerz meinen Hals hinauf und den Arm hinunter. Blut schießt mir ins Gesicht, und ich fange an zu schwitzen.
    Tabakgeruch erreicht mich, gefolgt von einem säuerlichen Körpergeruch. Ich höre, wie sich jemand die Wand hinunter­rutschen lässt, um auf dem Boden zu sitzen. Das Knistern von Cellophan, das Klicken eines Feuerzeugs. Herüberwehender Rauch.
    »Hey, Troy. Bist du da?«
    »Ja. Was willst du?«
    »Kannst du mir die hier abnehmen?«
    »Nicht

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