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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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etwas sagen kann, erhebt Hall sich vom Tisch und nickt dem Muskelmann zu, den er Brock nennt. Nomen est omen. Ich versuche, mich zu wappnen, auszublenden, was gleich passieren wird. Brock lässt sich Zeit. Er scheint fest entschlossen zu sein, jedes einzelne meiner inneren Organe mit seinen Fäusten zu zerschmettern.
    Milosa sagte einmal, dass man Schmerz durch geistige Disziplin bezwingen kann – das heißt, eiserne Konzentration auf etwas anderes als den Schmerz. Als dann die Schläge auf mich niederhageln, bringe ich jede Unze Gehirnschmalz auf, die ich besitze, um mich an die erstklassigen russischen Kraftausdrücke zu erinnern, die er mir beibrachte, als ich noch ein kleines Mädchen war. Als Brock fertig ist, habe ich den Mund voll von breiigem Blut, und meine Augen können sich nicht richtig scharf stellen. Aber ich habe wiedergefunden, wonach ich gesucht habe, und ich muss es jetzt einfach mit anderen teilen.
    »Job twoju mat.«
    »Was?«, fragt Brock mit einer Portion Besorgnis.
    Zuvorkommend übersetze ich es ihm. » Fick deine Mutter. «
    Er wirbelt zu Hall herum. »Was für eine Sprache war das denn?«
    Halls Augen sind ganz schmal geworden. »Russisch.«
    »Vorsicht. Sie könnte zu Petrenko gehören«, meint der gebeugte Lakai mit dem gerissenen Gesicht auf Halls anderer Seite.
    »Nein, das glaube ich nicht. Oster hätte etwas gesagt«, murmelt Hall.
    Nett zu sehen, wie sehr er seinen Angestellten vertraut.
    Vage bekomme ich mit, wie Troy mit einem Laptop unter dem Arm unauffällig den Raum betritt. Er gleitet an der Wand hinunter, sitzt mit hochgezogenen Schultern auf dem Boden, wie ein zu spät kommender Schuljunge, der hofft, nicht bemerkt zu werden.
    Hall wirft ihm einen scharfen Blick zu. »Hast du dich mit ihm in Verbindung gesetzt?«
    Troy nickt.
    »Ist es erledigt?«
    Troy nickt erneut.
    Hall setzt sich noch mal auf die Tischkante und beugt sich zu einem vertraulichen Plausch mit mir vor. Sein Gehabe ist auf bizarre Art väterlich.
    »Libby Smith, unsere liebe Freundin«, sagt er leise, »wurde bei Tagesanbruch von einem Autofahrer am Jamaicaway gefunden. Offenbar ein Fall von Fahrerflucht. Sie trug Morgenmantel und Hausschuhe. Höchstwahrscheinlich war sie sofort tot, hat man uns gesagt. Aber so etwas kann man ja niemals wissen, nicht wahr?« Er verlagert kaum merklich sein Gewicht, zupft an einem Ohrläppchen. »Es ist sehr früh heute Morgen passiert. Unnötig zu erwähnen, dass die Leute im Büro aus allen Wolken gefallen sind. Sie ist so lange bei uns gewesen und wurde von allen sehr gemocht. Allerdings wusste auch jeder, dass ihre Demenz sich sehr schnell verschlimmerte. Wahrscheinlich hätte sie in ein Heim gehen sollen. Für Menschen, die unter Demenz leiden, ist es sehr gefährlich, allein zu wohnen.«
    Hall seufzt. Er fragt, ob ich ihm verraten möchte, wie viel genau die Navy über Bob Jaeger und Ocean Catch weiß.
    Ich kann nicht sprechen. Werde nicht. Schweigen ist alles, wozu ich in der Lage bin.
    Hall bittet seine Lakaien, etwas zu suchen, mit dem man mir das Blut aus dem Gesicht wischen könnte. Was ein gewisses Durcheinander zur Folge hat. Sie klopfen ihre Taschen ab, schütteln den Kopf. Brock bietet an, das T-Shirt auszuziehen, aber man merkt sofort, dass er das lieber nicht täte. Am Ende bietet der Smartere sich an, aus dem Bad ein Handtuch zu holen. Ist schon Ironie. Ich habe die Handtücher heute Morgen selbst dort hingelegt. Wenigstens weiß ich, dass sie sauber sind. Bis er zurückkehrt, herrscht absolute Stille im Raum.
    »Ich hab zwei mitgebracht«, sagt er übereifrig.
    »Vielen Dank, Dennis«, erwidert Hall.
    Hall gibt den Befehl, und Dennis beginnt, mit tiefen Falten der Konzentration auf der Stirn, mein Gesicht abzutupfen. Er hat struppige schwarze Augenbrauen und schlechten Atem. Wenn er mein Gesicht berührt, tut es weh.
    »Um die Augen herum«, befiehlt Hall.
    Dennis wischt mit dem Handtuch mehrfach über mein linkes Auge, dann über das rechte. Er lehnt sich zurück, um zu begutachten, wie er vorankommt. So toll muss das Ergebnis wohl nicht ausgesehen haben, denn er fängt sofort wieder mit dem Handtuch an. Hall sagt ihm, es sei jetzt genug.
    »Ich muss Ihnen etwas zeigen, Ms Kasparov«, sagt Hall. »Ich möchte sicher sein, dass Sie es klar und deutlich sehen. Es hat zahlreiche Konsequenzen, die Sie begreifen werden, da bin ich sicher. Einer so intelligenten Frau wie Ihnen muss man nicht alles buchstabieren.«
    Er macht Troy ein Zeichen, der den Laptop

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