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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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drin.«
    »Bitte.«
    »Nein.«
    Ich werte das als Fortschritt – seine Ablehnung verkürzt von zwei Worten auf eines. Er ist Hall nicht treu ergeben. Er ist niemandem treu ergeben. Das ist ganz klar in seine Körpersprache geschrieben. Jede Geste spricht von ichbezogener Entfremdung. Es ist durchaus möglich, dass er sich noch nie für jemand außer sich selbst interessiert hat.
    »Was werden sie mit mir machen, Troy?«
    »Die werden dich umbringen. Was denkst du?«
    »Gibt’s für mich irgendeine Chance, aus der Sache rauszukommen?«
    »Nö.« Er setzt einen kleinen Akzent auf den abschließenden Vokal.
    »Nicht mal, wenn ich denen erzähle, was sie von mir hören wollen?«
    »Nö.« Er mag das Wort. »Macht keinen Unterschied, ob du redest oder nicht. Macht auch keinen Unterschied, was du sagst. Heute ist dein letzter Tag auf dieser Welt.«
    Er raucht. Ich versuche, ruhig zu bleiben. Ich weiß, der Schlüssel liegt auf dem Tisch, und ich weiß auch, dass Troy bestechlich ist. Es muss eine Möglichkeit geben, sich diese beiden Tatsachen zunutze zu machen.
    »Super. Der letzte Tag meines Lebens. Muss ich den wirklich so verbringen? Es tut weh, Troy. Es tut echt beschissen weh. Was kümmert’s dich, ob ich gefesselt bin oder nicht? Ich wiege zweiundfünfzig Kilo. Sie haben mir die Seele aus dem Leib geprügelt. Meine Scheißrippen sind gebrochen. Wahrscheinlich kann ich nicht mal gehen, und sterben werde ich ja sowieso. Also hab wenigstens eine Spur Mitleid, hörst du? Ich kann so keine fünf oder sechs Stunden zubringen. Selbst Gefangene im Todestrakt bekommen eine Henkersmahlzeit, oder? Ich zum Beispiel hätte nichts gegen eine Zigarette. Nur eine lausige Kippe. Du kannst mich ja wieder festmachen, bevor sie zurückkommen. Lass mich sitzen und ’ne Kippe von dir schnorren, Troy. Es ist immerhin mein letzter Scheißtag auf Erden.«
    Mein Vorschlag wird mit Schweigen beantwortet. Eine Ablehnung verkürzt von einem Wort auf keines.
    »Troy, was machst du überhaupt hier? Du bist doch kein Fischer. Das hier ist doch eigentlich gar nicht dein Ding. Sieht doch jeder, dass die dich nur benutzen. Ich weiß, du bist der, der mich beschattet hat. Ich hab dich am Bank of America Pavilion gesehen. Und du warst auch in dem braunen Auto, stimmt’s? An diesem Tag auf der Beacon Street. Wie viele öde Stunden hast du damit verbracht, mich zu beobachten? Wie viel haben sie dir bezahlt? Mindestlohn? Oder haben sie dir irgendwas versprochen? Zum Beispiel den fetten Umschlag am Ende? Den du nie bekommen wirst, wenn du mal ganz ehrlich drüber nachdenkst. Die halten dich doch für ein Stück Scheiße, Troy. Die werden dir gar nichts geben. Nicht einen Dime. Sieh den Tatsachen ins Auge. Du bist doch smarter als die. Nimm mir die Handschellen ab. Bitte.«
    Er rührt sich, raucht. »Du bist reich, stimmt’s? Du fährst zwar ein altes Auto, aber du hast ein Haus auf dem Beacon Hill.«
    »Es gehört meinem Vater.«
    »Ja, weiß ich. Was meinst du, wie viel würde er bezahlen, um dich wiederzusehen?«
    »Wie viel willst du?«
    »Eine Million Dollar.«
    »Das kriegt er hin, Troy. Cash. Keine Fragen. Ich muss ihn nur darum bitten.«
    »Wie schnell kannst du es kriegen?«
    »Schneller als ein Schnellimbiss. Hol mir ein Telefon und sag mir, wo er es deponieren soll. In einer braunen Papiertüte, ganz egal. Wir werden genau das tun, was du willst.«
    Schweigen. Der Zigarettenqualm kitzelt mir in der Nase.
    »Nimm die Handschellen ab, Troy. Wir müssen von hier weg.«
    »Falls irgendwas passiert, bringe ich den Jungen um.«
    »Lassen wir ihn doch bitte aus dieser Sache raus, ja? Niemand muss sterben. Du tust mir einen großen Gefallen. Wenn das hier vorbei ist, wirst du mein großer Held sein. Wir werden beide bekommen, was wir wollen.«
    Ich höre, wie er die Schlüssel vom Tisch nimmt. Ein paar Sekunden später bin ich frei.
    Vorsichtig sammle ich meine verstreuten Gliedmaßen ein und bringe sie wieder in das richtige Verhältnis zu ihren jewei­ligen Gelenken. Es macht mich so glücklich, ich könnte heulen.
    Troy rutscht wieder auf den Boden runter, nimmt einen Zug von seiner Kippe und drückt sie dann auf seiner Schuhsohle aus. Sein Knie wackelt, seine Hand zittert. Seine Augen sind stark gerötet, er ist nervös wie ein hyperaktives Kind. Wahrscheinlich geht ihm der Arsch gerade auf Grundeis. Er geht ein ziemlich großes Risiko ein, es ist gewagt wie nur was. Das führt dazu, dass ich ihn irgendwie mag. Er sitzt zwischen mir und der

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