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Die Frau die nie fror

Die Frau die nie fror

Titel: Die Frau die nie fror Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Elo
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Menschen interessiert’s letzten Endes auch nur einen Furz.«
    »Aber warum so lange warten?«
    »Damit sie den Passagieren sagen können, du hättest die ­beleidigte Leberwurst gespielt und gekündigt. Dann wärest du bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zurück in die Staaten. Jeder weiß, dass du verrückt wie Sau bist. Kippst Leuten ihre Drinks ins Gesicht und fängst Streit an. Kein Mensch wird groß drüber nachdenken, wenn man dich nicht mehr sieht. Und sollte die Frage je aufkommen, wird jeder dieselbe Geschichte erzählen – zum letzten Mal gesehen in einer Inuit-Siedlung in Labrador, Kanada. Keine Nachsendeanschrift.«
    Er streckt ein mageres Bein aus. Er entspannt sich ein wenig, erzählt seine kuschelige Geschichte.
    »Wir wollten deine Leiche verstecken, bis wir wieder in der Labradorsee gewesen wären, dann hätten wir dich über Bord geworfen. Ausreichend beschwert würdest du auf den Grund sinken und für immer dort bleiben. Keine Leiche, kein Mord. War ein ziemlich guter Plan.«
    »Wer war das Superhirn?« Aber ich weiß es schon.
    »Der Oyster Man. Wer sonst?« Troy lächelt mit einem Anflug von Zuneigung für den legendären Mann.
    Das alles wusste Johnny schon an dem Abend in der Lounge. Deshalb wollte er nicht mit mir ins Bett. Für ihn war ich bereits tot. Ich vermute, einen Funken Menschlichkeit besitzt er noch – und zieht die Grenze beim Vögeln einer Frau, deren Mord er schon geplant hat. Aber er hat es ziemlich gut mit Späßen kaschiert. Ist ein besserer Lügner als ich. Milosa hält sich im Hintergrund meiner Gedanken, lacht jetzt nicht mal mehr, sondern schüttelt nur noch sein müdes Haupt.
    »Komm. Verschwinden wir von hier«, sage ich.
    »Nein, irgendwer wird uns sehen. Wir müssen warten, bis es dunkel ist.«
    Ich kann es einfach nicht fassen, wie irre das alles ist. »Hör zu, Troy. Du hast gerade erst meinen bevorstehenden Tod in ­allen Einzelheiten liebevoll beschrieben. Wenn du mich nicht sofort hier rausbringst, wirst du weder deine Million bekommen noch irgendwann wieder erleben, wie diese süße, süße Droge durch deine Adern jagt.«
    Er sieht mich beunruhigt an und schiebt die Winstons zurück in die Tasche. »Okay, okay. Wie wär’s vorher noch mit einem Quickie?«
    »Einem was?«
    »Einem schnellen Fick für auf den Weg.«
    »Oh, mein Gott. Sag mir, dass ich mich verhört habe. Du willst doch bezahlt werden, oder?«
    »Ja. Okay. Dann vielleicht später, hm?«
    »Nein.«
    Er nickt, als hätte man ihm einen Donut verweigert. »Okay. Gehen wir.«

Kapitel 26
    I m Norden ist die Abenddämmerung im Herbst sehr kurz. Die Sonne fällt, nach einem kurzen dezenten Gleiten über den Himmel, schnell hinter den Horizont. Das Hauptdeck der Galaxy ist leer. Die brennenden Lampen tauchen das polierte Teak, die Service-Bar, die Chaiselongues und die Topfpflanzen in ein mattes Licht. Die Passagiere sind vom Landgang noch nicht zurück. Im Tungortok Inn ist ein Dinner für sie geplant, an dem auch die Besatzung teilnehmen wird. Dorthin wollte Hall mit Brock und Dennis, sagt Troy.
    Troy schaut zu den Fenstern auf dem zweiten und dritten Deck hinauf, von wo aus man das Hauptdeck sehen kann. Selbst wenn Hall und die Jungs bereits fort sind, wird immer noch jemand an Bord sein. Er wiederholt, dass wir bis Einbruch der Dunkelheit hätten warten sollen, aber ich habe viel zu viel Angst, als dass mir das etwas ausmachen würde. Ich weiß nur, dass die Handschellen hinter mir liegen und ich mich durch die salzige Luft in meinen Lungen wieder wie ein Mensch fühle.
    An der Seite der Yacht befindet sich eine Hängeleiter zu ­einem Dingi, das dort vertäut ist. Es wippt auf dem schwarzen Wasser der Makkovik Bay sanft auf und ab. Ich gehe als Erste. Troy löst die Fangleine und klettert nach mir herunter. Mich streift der Gedanke, ihm die Leine aus der Hand zu reißen und die Bucht allein zu überqueren. Doch im nächsten Augenblick steigt er bereits vorsichtig ins Dingi, und die Ge­legenheit ist vorbei. Vornübergebeugt, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, steigt er nach hinten zum Motor. Ich sitze auf der mittleren Bank und rutsche schnell zur Seite, um ihn vorbeizulassen. Ich könnte ihn über Bord stoßen, solange er noch neben mir und nicht sicher auf den Beinen ist, aber wieder verstreicht der Moment viel zu schnell.
    Meine Gedanken überschlagen sich, als ich meine Fluchtmöglichkeiten durchgehe. Ich habe nicht die Absicht, mit Troy nach Boston zurückzukehren, während die

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