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Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)

Titel: Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Pavone
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Millionen Euro schwere Firma war.
    Etwa ein Dutzend Mütter saß auf Barhockern um einen hohen Tisch herum. Nach nicht einmal einer halben Stunde waren die meisten von ihnen beschwipst.
    Kate hatte in erster Linie deshalb zugesagt, um sich ein wenig von ihrer ausweglosen Lage abzulenken. Außerdem musste sie die Fassade der Normalität aufrechterhalten. Das hatte zu ihrer Ausbildung gehört und war zum wesentlichen Bestandteil ihrer Karriere, ihres Selbst geworden – was auch immer du tust, führ ein ganz normales Leben. Tu normale Dinge, triff dich mit normalen Leuten. Gib niemandem Anlass, dir auf den Zahn zu fühlen, dir nachzuspionieren. Lass nicht den Verdacht aufkommen, du könntest jemand anders sein als die, die du zu sein vorgibst.
    Am Tisch besprach man den neuesten Klatsch, boshaft und ohne jede Grundlage. Der Ehemann von dieser Frau hatte ein Verhältnis mit seiner Sekretärin, die Babysitterin von jener Frau war die stadtbekannte Schulmatratze. Die tschechische Familie, die so steinreich war? In Wahrheit arm wie die Kirchenmäuse. Die laute, vulgäre Texanerin mit den drei Kindern? Unterzog sich einer Fruchtbarkeitsbehandlung nach der anderen, weil sie unbedingt noch einmal schwanger werden wollte.
    Kate konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, was Dexter vorhaben und wie er anders in den Besitz dieser Millionen gekommen sein konnte als genau so, wie das FBI vermutete – Cyberdiebstahl.
    Als gerade niemand hinsah, legte sie unbemerkt einen 10-Euro-Schein auf den Tisch und stand auf, als wolle sie auf die Toilette. Doch stattdessen ging sie zur Eingangstür, nahm ihren Schirm aus dem Ständer und trat auf die Straße, wo sie vom dichten Nebel und dem steten Rauschen des Flusses empfangen wurde, der vom Schmelzwasser bereits über die Ufer zu treten drohte.
    In der Nähe der Brücke befanden sich etliche Kneipen, jede davon ein eigener Mikrokosmos aus Zigarettenrauch und Lärm. Kate überquerte die Brücke und betrat den langen, hell erleuchteten Tunnel, der durch den Felsen führte, auf dem die haute ville erbaut worden war. Die grob behauenen Wände waren von Werken derivativer Kunst bedeckt, und es stank nach Urin, wie in jedem urbanen Tunnel auf dieser Welt, selbst in den saubersten Städten. Ihre Wohngegend lag gerade einmal hundert Meter den Hügel hinauf, ein nettes kleines Training, wenn sie zu Fuß die Rue Large hinaufginge, aber sie brauchte Antworten, kein Ausdauertraining. Sie wollte nach Hause, allein mit ihren Gedanken sein. Sie würde den Babysitter bezahlen und heimschicken, während ihr Mann mit dem FBI-Agenten, der gegen ihn ermittelte, Tennis spielte. Was für ein verdammtes Chaos.
    Kate betrat den Aufzug und wartete, bis sich die Türen schlossen. In diesem Augenblick hörte sie Schritte. Sie kamen rasch näher. Die Schritte eines Mannes … schwer, weit ausholend. Sie drückte den Knopf, wieder und wieder, auch wenn es sinnlos war.
    Die Türen schlossen sich genau in der Sekunde, als der Mann vor den Aufzug trat und – den Bruchteil einer Sekunde zu spät – seinen Arm in die sich schließenden Türen zu schieben versuchte.
    Rumpelnd und ächzend fuhr der Aufzug im Schneckentempo nach oben. Kate stieg aus und befand sich auf dem Plateau de St.-Esprit mit seinen blitzsauberen Verwaltungs-, Gerichts- und Regierungsgebäuden. Alles war hell erleuchtet, doch weit und breit war keine Menschenseele zu sehen.
    Sie hastete über das Kopfsteinpflaster und warf über die Schulter einen Blick zurück. Niemand. Eilig überquerte sie den Platz und bog in eine Straße, deren Asphalt überall aufgerissen war. Das Werkzeug lag in den tiefen, mit Schmutzwasser gefüllten Gruben. Sie hörte Schritte.
    Sie ging schneller, verfiel ins Laufen, bis sie zu einer Kreuzung gelangte. Auf der rechten Seite befand sich ein italienisches Restaurant, auf der linken der Palast. Kate wurde bewusst, dass sie direkt unter dem Fenster der Macleans entlangeilte.
    Die Person, die sie verfolgte, war eindeutig ein Mann. Seine Absätze hallten von den Pflastersteinen wider. Sie sah über die Schulter. Ein langer dunkler Mantel, ein breitkrempiger Hut. War es der Mann aus dem Tunnel? Es war unmöglich, sein Alter und seine Größe in der Dunkelheit zu schätzen.
    Kate blickte durch das Fenster des italienischen Restaurants und überlegte einen Moment, einfach hineinzugehen und Schutz zu suchen, doch sie besann sich eines Besseren und ging weiter. Sie nahm eine Abkürzung nach Hause, die zwar der schnellste,

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