Die Frau, die niemand kannte: Thriller (German Edition)
unterwegs gewesen?«
Diesen Triumph würde sie ihr nicht gönnen. Sie rieb die Hände aneinander, um sie zu wärmen. Es schien mit jeder Sekunde kälter zu werden.
»Tja …« Julia zuckte die Achseln, griff in ihre Tasche, nahm einen großen gefütterten Umschlag heraus und öffnete ihn.
»Er war in Zürich«, fuhr sie fort und reichte Kate einen Stapel Fotos. »Mit einer anderen Frau.«
Kate griff nach den Fotos, die mit Daten, Namen, Orten und weiteren Anmerkungen versehen waren: Dexter mit einem zwielichtig aussehenden Mann in einem Café in Sarajevo, Dexter in verschiedenen Banken in Andorra und Zürich, Dexter in einem Londoner Nachtclub in Begleitung einer atemberaubend schönen Frau. Kate drehte das Foto um, las das Datum und den Namen. Marlena.
»Was ist das?« Sie hatte Mühe, vor den Augen dieser beiden Menschen nicht vollkommen die Fassung zu verlieren, einen Zusammenbruch zu erleiden, von dem sie sich womöglich nie wieder erholen würde. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass diese Marlena wie ein Supermodel aussah. »Und was beweist das?«
»Jedes dieser Fotos beweist etwas anderes. Und sie alle ergeben ein Gesamtbild, das unsere Theorie untermauert. Die Wahrheit.«
Kate konnte den Blick nicht von dem Zürich-Foto lösen, das im letzten Juni aufgenommen worden war: Dexter, der sich über die Glaskästen eines Juweliergeschäfts beugte und diesem wunderschönen Geschöpf neben ihm zulächelte. Sie sah sich die anderen Aufnahmen an – Marlena mit Dexter, wie sie aus der Hotellobby treten, in einem Restaurant zu Abend essen, beim Frühstück . Und dann in London, ebenfalls in einem Restaurant und auf den Stufen eines dieser alten Kutscherhäuser aus weißen Backsteinen.
Kate schüttelte den Kopf. »Mit Photoshop ist so ziemlich alles möglich.« Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sie so eifersüchtig sein würde. Und so besorgt. »Mit einem anständigen Drucker kann jeder die schönste Geschichte erfinden.«
Kates Handy läutete. Claire. Kate drückte den Anruf weg.
»Du kannst die Fotos gern behalten«, sagte Julia, ohne auf Kates Bemerkung einzugehen. »Überprüf die Daten anhand deines Kalenders, deiner Mails, der Telefonrechnung oder wovon auch immer. Du wirst sehen, dass Dexter immer genau an den Orten war, die er dir genannt hat. Er hat Bankkonten eröffnet, eines nach dem anderen. Nummernkonten, in ganz Europa. Und er hat sich mit dieser Frau getroffen.«
»Ihr könntet es genauso gut anschließend so hingedreht haben«, sagte Kate. Doch in Wahrheit war es lediglich der verzweifelte Versuch, sich nicht einzugestehen, dass Dexter seit Monaten ein Doppelleben führte, dass er ein gesuchter Verbrecher war und sich mit einer anderen Frau traf, die in Zürich oder London lebte. Zwar war das alles keine zwingende Schlussfolgerung, aber eine verdammt naheliegende.
»Und während er in Zürich war«, fuhr Julia fort, »hat er es wieder getan. Nur dass er diesmal gleich fünfundzwanzig Millionen Euro gestohlen hat.«
»Wie viel?«, fragte Kate, denn ihr war wieder eingefallen, dass sie Überraschung mimen musste.
»Fünfundzwanzig Millionen«, wiederholte Julia.
Bills Mund öffnete sich kaum merklich, während sein Blick zur Seite schweifte. Doch dann schloss er den Mund wieder und sah Kate an.
»Das ist eine Menge Geld«, sagte Kate. Wenn auch bei Weitem nicht so viel, wie Kyle behauptet hatte. »Und wem soll er es gestohlen haben?«
»Einem serbischen Waffenhändler.«
Kate blickte auf das Foto in ihrer Hand. Die umwerfend schöne Marlena. Und fünfundzwanzig Millionen Euro. Ziemlich schwer, damit zu konkurrieren.
Kate schob den Gedanken beiseite. »Wer seid ihr?«, fragte sie.
»Du weißt genau, wer wir sind.«
»FBI-Agenten, die für Interpol ermitteln?«
Julia nickte.
»Ihr gehört einer Spezialeinheit für schwere Cyber-Kriminalität an. Ihr seid meinem Mann nach Luxemburg gefolgt, weil ihr ihn im Verdacht habt, im November fünfundzwanzig Millionen Euro gestohlen zu haben plus eine Million Dollar im vergangenen Sommer.«
»Genau.«
»Und wieso erzählt ihr mir das alles?«
Keiner von beiden beantwortete die Frage. Stattdessen warteten sie, bis Kate von selbst darauf kam. Kate sah von einem zum anderen, während ihr aufging, dass sie richtig lag. Sie wusste, was sie vorhatten.
Wieder läutete Kates Handy. Claire. Es könnte wichtig sein. Aber was war im Moment nicht wichtig? Sie klappte das Telefon auf. »Hi.«
»Kate? Ist alles in Ordnung?«
»Äh …« Was für
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