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Die Frau, die zu viel fühlte - Roman

Die Frau, die zu viel fühlte - Roman

Titel: Die Frau, die zu viel fühlte - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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dem alten Mädchen zur Hand, ihr faulen Nichtsnutze«, rief Vater uns zu.
    Alles war wieder in Ordnung, und ich nahm den Korb, so dass Mutter mit meinen Schwestern unbeschwert vorauslaufen konnte. Der Wind blies ihnen die Röcke bis zu den Oberschenkeln hoch, und Vater pfiff und legte mir wieder die Hand um den Nacken.
    »Scharfe Schlüpfer«, murmelte und verzog angewidert das Gesicht.
    Mir war das peinlich, und ich wollte weglaufen, weg von ihm, aber über sein Augenverdrehen musste ich kichern. Ich vermutete vage, dass auch er eine Hoffnungslosigkeit in sich hatte, die er mit mir teilen wollte, aber warum sollte das bedeuten, dass ich meine Mutter und meine Schwestern weniger liebte, weil ich sie für lächerlich hielt, während er versuchte, mich auf seine Seite zu ziehen, indem er selber lächerlich war? »Glückliche Tage«, seufzte er und trank dann wieder einen großen Schluck aus seinem Flachmann. Sein Gesicht war rosa mit grauen Streifen darin, und er gab mir einen Schubs in den Rücken, als hätte mein dünnes Lachen uns beide verraten.
    Wir fanden eine windstille Senke, wo Mutter die Decke ausbreitete und den Lunch herrichtete. Julie kniete sich hin, um ein hartgekochtes Ei zu nehmen, und Vater schlug ihr aufs Handgelenk.
    »Manieren!«, rief er.
    Sie schaute ihn einige Sekunden wie von Liebe getroffen an, dann traten ihr die Tränen in die Augen, und sie kniff den Mund zusammen, damit sie nicht überquollen – was sie schon vor so langer Zeit gelernt hatte, dass sie in meiner Erinnerung immer schon so war.
    Mutter drückte ihr die Hand und murmelte: »Ist schon in Ordnung, Liebling. Lass uns die Eier einfach erst schälen. Das tust du doch gern, oder?«
    Hester nahm ihre Brille ab und hauchte die Gläser an. Das tat sie immer, wenn sie nicht wollte, dass etwas Bestimmtes passierte. Jetzt macht sie es Julie zuliebe, dachte ich – um ihr zu zeigen, dass sie sich die Sache nicht zu Herzen nehmen dürfe, so tun müsse, als hätte sie es gar nicht bemerkt. Sie putzte die Gläser mit dem Saum ihres Kleids und setzte sich die Brille dann wieder auf. Ihre Hände zitterten, und einer der Bügel stach ihr ins Auge.
    »Wenn ihr es genau wissen wollt«, sagte Vater und sah Mutter scharf und beinahe hasserfüllt an. »Meiner bescheidenen Meinung nach sind beschissene schlechte Manieren ganz und gar nicht in Ordnung.«
    Er schaute zu mir und blinzelte. Ich grinste zurück, aber es wäre mir lieber gewesen, ich hätte es nicht getan. Julie sah es, das weiß ich, weil sie mich anschaute, als hätte ich sie hintergangen. Ich glaube, Hester sah es auch. Hinter dem Funkeln ihrer Brille schienen ihre Augen anzuschwellen und feucht zu glänzen, als wäre, an Julies Stelle, sie es, die weinte. Bei Mutter bin ich mir nicht sicher. Ich konnte es nicht ertragen, sie anzuschauen. In diesem Augenblick fiel der Entschluss, dass er tot sein sollte.
    Mutter beschäftigte sich weiter damit, das Picknick herzurichten. »Wir hätten uns mehr bewegen sollen, um Appetit zu bekommen«, sagte sie und versuchte dabei, praktisch zu klingen, doch ihre Stimme zitterte.
    Vater biss in ein Sandwich. »Nach einem Jahr Zuchthaus isst ein Mann alles.« Es war als Witz gedacht. Ich hatte Mutter heute frühmorgens das Picknick vorbereiten sehen, wie sie an alles gedacht hatte. »Schwarze Johannisbeerkonfitüre, die mag euer Vater am liebsten«, sagte sie.
    Plötzlich blies eine Bö die Decke über das Essen und warf die Limonadenflasche um. Julie griff danach und stieß dabei die Thermoskanne mit Tee um. Dann fingen sie und Hester an zu kichern, krochen umeinander herum und suchten den Flaschenverschluss. Mutter schaute Vater an und wartete …
    »Was für ein verdammtes Chaos«, sagte er und legte mir die Hand aufs Knie. »Da sollten sich wohl die Jungs drum kümmern. Sei ein guter Junge und schau, ob du ein bisschen Ballast findest. Der Allmächtige hat Blähungen. Hat anscheinend ein paar Bissen von einem dieser Sandwiches gegessen.«
    Das brachte Hester und Julie zum Lachen, aber nur, weil sie es tun mussten. Mutter hatte den Kopf gesenkt und ordnete die Lebensmittel auf der Decke neu. Ich dachte mir, wenn sie jetzt hochschauen würde, wären ihre Augen geschlossen, und das Gesicht wäre feucht von Tränen. Sie schien vor sich hin zu murmeln, dass sie sich zusammenreißen müsse.
    Ganz in der Nähe stand eine alte Geschützstellung, wo ich Ziegel- und Betonbrocken aufsammelte. Eine Tollkirsche wuchs auf der Seite des Eingangs, wo zwei parallele

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