Die Frau, für die ich den Computer erfand
Drähte in unsern Schaltanlagen … Liebes-Spitze … Halt, ich will nicht sentimental werden, das nun nicht, auch wenn die Sonne untergeht … Der alte Vollmond, wo steht er denn? … Genau da, zwischen den Kegelbergen, lief die alte Handelsstraße entlang zwischen Frankfurt und Leipzig, wussten Sie das? Da ist bestimmt auch der Goethe von Frankfurt nach Weimar kutschiert …
Füllest wieder Busch und Tal,
noch ein schweinisches Gedicht … Ich komme auf Abwege, wer bringt mich auf Abwege, Sie oder Ada oder der Mond? …
(Das Erfinden, auch das geht nicht ohne Eros)
Ich fürchte, ein Laie wie Sie kann das gar nicht ermessen: Mathematiker trifft Mathematikerin! Das ist ein Urknall, falls ich ausnahmsweise mal übertreiben darf, da ist einem wirklich alles andere egal … Natürlich wollte ich mehr über sie wissen und schickte meinen Freund los, mir Bücher über Byron mitzubringen, und nach und nach hab ich erfahren … Klar musste ich Vorwände erfinden, ich hab einfach gesagt: Verrückte und Genies interessieren mich, Ausgleichssport für Techniker, und so weiter … Ich habihn natürlich auch nach Babbage forschen lassen, aber da kam nichts mehr … Nein, sie ist ohne ihren berühmten Vater aufgewachsen, Lord Byron ist gleich nach ihrer Geburt abgeschwirrt nach Süden … Richtig, vielleicht sogar mehr Skandalnudel als Dichter, ein Popstar, Frauenheld, Exzentriker. Dann hat er sich in den Freiheitskampf der Griechen gestürzt gegen die Türken und ist dabei zu Tode gekommen. Sie dagegen hat sich in die Mathematik gestürzt, eine solidere Wahl, viel weiser als ihr Herr Vater, und ist bald als junges Genie aufgefallen, eine Lady plus Mathematik. So wurde sie durch die Londoner Salons gereicht als berühmte Tochter des Berühmten und als Exotin der Wissenschaft von Zahlen, Formeln, Kurven, keine leichte Rolle für die adlige junge Dame. Interessiert Sie das wirklich? … Leidet an der herrischen Mutter, an der schlechten Ehe mit einem Earl of Lovelace, Problemen mit Kindern, Krankheiten, Liebhabern, Morphium, Spielsucht … Diese Dinge hab ich erst in den fünfziger Jahren herausgefunden, damals war das Entscheidende: Sie liebte die Rechnerei ebenso wie die Technik, also, ganz logisch, auch mich. Um mein Bild zu ergänzen, hab ich so lange im Konversationslexikon geblättert, bis ich eine junge englische Lady aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefunden habe. Vornehm und strahlend schön, gewitzte Augen, streng und sanft … Was red ich da … Eine Mitarbeiterin, eine Anregerin, eine Mitdenkerin, zumindest einemit viel Verständnis für mich und die Notwendigkeit, ein Wohnzimmer in eine Werkstatt zu verwandeln … Glauben Sie mir, das Erfinden, auch das geht ja nicht ohne Eros. Ohne Eros entwickelt sich nichts im Leben, nicht einmal der Bau von Rechenmaschinen … Wenn Sie stundenlang Kontaktfedern justieren oder das Komma gleiten lassen, dann denken Sie auch mal an gleitende Ausrufungszeichen, verstehen Sie? … Von nun an hab ich nicht nur für mich gearbeitet oder für den Nutzen der Menschheit oder was immer meine Festredner da alles aufzählen und vorhin wieder fleißig aufgezählt haben in Braunschweig. Ich habe für Ada gearbeitet, mit Ada und für Ada … Man denkt ja im Alter gern an die Liebe, an die ersten Lieben … Als ich die Drähte legte und die Schaltungen, da träumte ich … Null Eins Null Eins Null Eins Null Eins … Im Wohnzimmer, Mama und Papa schliefen fest … Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja … Wir träumten von einem Fortschritt, der in dem unfertigen Gestänge schlummerte … Und ich sah Ada … Eine Frau, die mich verstand und eine Schönheit, ihr ewiger Vorteil, sie altert nicht, für immer in ihr Jugendbild gerahmt … Und Oder Und Oder Und Oder Und … Ich träumte sie auf das Sofa neben der Maschine … Gedanken hat sie mir beschleunigt, und ich die ihren … Und rauschig von Mechanik … Oder Und Oder Und Oder Und Oder Und … Hand in Hand sind wir geklettert durch das Labyrinth der neuen, niemals fertigen Maschine …Die Frau, die Leibniz verstand. Die mich verstand. Die Frau, die mich erfand. Die mit mir den Computer … Die Frau, für die ich den Computer erfand … Das war sie und das ist sie und das wird sie immer sein, wenn dies Bekenntnis einmal in der Welt ist … Ja Nein Ja Nein Ja Nein Ja Nein … Stoppen Sie mich bitte, wenn ich abhebe, wenn
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