Die Frau, für die ich den Computer erfand
ich rührselig werde. Stoppen Sie einfach das Band … Ich seh schon, Sie rühren keinen Finger, Sie Schlingel. Sie haben gar kein Interesse daran, mich zu schützen vor meinen Peinlichkeiten. Sie lauern eher darauf, dass der große Computererfinder endlich einmal in Tränen ausbricht und rührselig wird. Rührselig bei einer abgestandenen Lovestory. Rührselig bei einer Lady, die seit hundert, warten Sie, seit über hundertvierzig Jahren tot ist. Das riecht nach Sensation, das bringt Ihnen Schlagzeilen und eine schöne Einschaltquote, die berühmte Quote, oder wie heißt das bei Ihnen? … Auflage, richtig … Ach, sei’s drum. Ich kann’s Ihnen nicht verdenken, und es steht leider nicht in unserer Abmachung, dass Sie mich vor mir selbst schützen sollen … Wer sich darüber mokiert eines Tages, wenn ich tot bin, dem können Sie ja antworten, nein, dem sollen Sie antworten: Besser eine Phantasiefrau im Kopf als ein Kinderschänder werden wie Dr. Faust. Nein, es gibt wirklich keinen Grund, mich zu schämen für meine Ada-Liebe. Denken Sie nur mal an Marilyn Monroe, wie viele sind heute noch scharf auf ein Weib wie die Monroe. Ich wette, wennSie hier eine Umfrage machen unter den Männern, auf der Terrasse und in den Dörfern ringsum, jeder wird Ihnen sagen: Die würde ich nicht von der Bettkante schubsen. Dabei wäre Frau Monroe inzwischen siebzig ungefähr! Verstehen Sie, was ich meine? Oder der David von Michelangelo, was glauben Sie, wie viele Frauen verknallt sind in diesen David! Und wie viele Männer! Hunderttausende von Verliebten, weiblich und männlich! Verliebt in diese prächtigen Schenkel aus Marmor, und ich spreche jetzt nur von den Schenkeln, vorzüglich gemeißelt, aber ein Stein! Und da soll ich nicht verliebt sein in eine Dame meines Fachs, eine Frau, die ich zum Leben erwecken kann, wenn ich will? Eine attraktive Lady, die nicht altert und die mich produktiv hält und mit der ich meine stillen Dialoge führe? … Nein, mehr sag ich nicht dazu. Nur eins noch: Wenn sich mir schon eine solche Frau anbietet, wäre es eine Schande gewesen und ein Verrat an der Wissenschaft, sie nicht zu erhören, nur weil es auf den ersten Blick etwas verrückt aussieht …
(A 1)
Gut kombiniert, junger Mann, so war es. Als das erste, dies Riesengerät fertig wurde auf dem Wohnzimmertisch, ich hatte es bis dahin immer V1 genannt, Versuchsgerät 1, da hatte ich Ada schon in meine Sinne gespeichert. Und mein Gedanke war: Nenn das GerätA1 und denk an Ada dabei, Ada wird dich führen und leiten, aber verrate das keinem, mach dich nicht lächerlich. Sag den andern: A steht für Anfang, den Anfang des Alphabets und der Sprache, das a der Algebra, den Kammerton a,
im Anfang war die Tat, und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
, und so weiter, deshalb A 1. So hab ich es gehalten bis heute, in allen Vorträgen, Gesprächen, Schriften wiederholt. Aber für mich, nur für mich stand und steht Ada hinter diesem A. Daran stört mich nur eins: dass man irgendwann in den sechziger Jahren angefangen hat, die Autobahnen zu nummerieren wie ich meine Maschinen. Dafür kann ich nichts, und Ada erst recht nicht … Das dürfen Sie noch deutlicher sagen. Das geb ich ohne weiteres zu, das sind pubertäre Hirngespinste gewesen, natürlich. Aber vierundzwanzig Stunden immer nur logisch denken zwischen Null und Eins, zwischen Und und Oder und Nicht, das schafft kein Mensch, das schaffen nur Verrückte. In Bezug auf Frauen war ich sowieso pubertär, viel zu lange pubertär. Mir fehlte das Weibliche, und es war eher ein Vorteil, dass ich wenig von Ada wusste, umso besser konnte ich sie nach meinen Wünschen formen. Ja, ich formte sie nach meinem Bilde, das darf man heute im Zeitalter des Feminismus gar nicht mehr sagen, aber was blieb mir anderes übrig? … Sie hat es immer gut gehabt bei mir … Ich kann ja nichts dafür, dass man so übel mit ihr umgesprungen ist in ihrem ersten Leben. Da hat man sie nicht in die Bibliothekengelassen, die sie brauchte, nicht in die Universitäten, die waren gesperrt für Frauen in diesem stolzen England … Nicht mal Museen durfte sie betreten, nicht mal als die berühmte Tochter des berühmten … Ich meine nur, das ist doch klar, kein Wunder, dass man dann mit Pferdewetten … So hab ich Ada immer in Ehren … Nicht so wie der Faust! Der brauchte den Teufel, damit sein Forschergeist in Schwung kam und damit er auf ein hilfloses Kind losgehen
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