Die Frau, für die ich den Computer erfand
im Laiengehirn … Die Rechenbefehle wurden eingegeben über alte Film-Zelluloidbänder aus den Abfallkörben vom Studio Babelsberg, die haben wir Loch für Loch mit der Hand gestanzt. Darauf musste auch erst mal einer kommen …
(Computer hört sich einfach besser an)
Ja, so ist es. Leider hat mir im Jahr Achtunddreißig, als das Gerät fertig war, niemand gesagt: Bravo, junger Mann, ich gratuliere Ihnen! Sie haben soeben den Computer erfunden! Im binären System! Mit gleitendem Komma! Mit Lochstreifensteuerung! Nur der Geldmangel zwingt Sie, auf Programmverzweigungen zu verzichten! Gratuliere! Eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit! Vielleicht nicht die wichtigste nach dem Rad, aber doch, sagen wir, nach dem Elektromotor! Gehen Sie in aller Ruhe zum Patentamt, reichen Sie Ihre Patentschrift ein, führen Sie Ihre Schwester zum Essen aus, mal ein ordentliches Eisbein oder Jägerschnitzel am Kudamm, ganz nach Belieben, gehen Sie mit ihr tanzen und machen Sie vier Wochen Ferien im Gebirge, Sie Gipfelstürmer! Dann perfektionieren Sie Ihr Gerät weiter! … Ja, hätte man mir dafür gleich das Patent gegeben und einen Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, wie man das in friedlichen Zeiten so macht, dann hätte John von Neumann in den USA sich nicht jahrelang quälen müssen, in der Theorie, wohlgemerkt in der Theorie das zu erfinden, was ich hier praktisch vorzeigen konnte. Aber seit 1945 gilt nun der Amerikaner mit seinem «Von-Neumann-Prinzip» als der Vater des Computers. Nun gut, das wird allmählich korrigiert … Richtig, sie hatten und haben den schöneren Namenund den Vorteil der Weltsprache, die Amis. Computer hört sich einfach besser an als Universal-Rechenmaschine, da kann man nichts machen, dabei ist es eigentlich Latein und nicht Englisch. Das gleiche Wort, computare, zählen, rechnen. Darauf hätte ich auch kommen können. Pech gehabt … Sicher, das Ding funktionierte noch nicht doll, sehr präzis konnten die handgesägten Bleche nicht sein, irgendwo klemmte immer was. Das Gerät arbeitete unzuverlässig, längere Programme durchzurechnen war Glückssache. Aber wenn es mal arbeitete, dann hat es schneller und genauer Wurzeln gezogen als jedes andere Rechengerät und noch dazu richtig. Alle Operationen flutschten viel schneller als ich es erträumt hatte. Wissen Sie, als in Berlin die Verkehrsampeln eingeführt wurden, gab es auch erst Chaos. Da hab ich ein bisschen überlegt – und das Prinzip der Grünen Welle ausgedacht. So war es jetzt auch, die Universal-Rechenmaschine war da, nun fehlte nur noch die Grüne Welle auf den Datenbahnen … Ja, ich war so verrückt, meiner Sache so sicher war ich, dass ich Achtunddreißig schon notiert habe: In fünfzig Jahren wird ein Nachfolger dieser Rüttel-, Rassel- und Rechenanlage den Schachweltmeister schlagen … Danke! So punktgenau waren meine Vorhersagen nicht immer … Nein, damals ist leider niemand vorbeigekommen zum Beglückwünschen. Ich hatte nur Herrn Rilke, der mich angefeuert hat:
Ich muss, ich muss, ich muss!
Herr von Neumann hatmir nicht guten Tag gesagt, Herr Turing nicht, Herr Stibitz, Herr Atanasoff, Herr Aiken, Herr Eckert und Herr Mauchly sind leider auch nicht mit ihren schönen Autos in Kreuzberg vorgefahren. Niemand hat mir auf die Schulter geklopft, wie man das manchmal braucht als junger Bursche und einsamer Erfinder. Alle diese legendären Herren haben ähnliche Lösungen gesucht oder mir hinterhergebastelt, schwer geheim in ihren wunderbaren Laboratorien und mit Hunderttausenden von Dollars im Rücken. Und wir mit der Laubsäge! Und mit handgelochten Zelluloidstreifen aus den Abfallkörben der UFA! Deutschland war zugesperrt, technologisch eingemauert, spätestens seit der Olympiade. Auch von deutschen Fachleuten ist keiner da gewesen, ich wollte mich ja nicht blamieren mit dem unzuverlässigen, gigantischen Gerät im Wohnzimmer. Nur ein Rechenmaschinen-Unternehmer, der sich dann mit ein paar tausend Mark beteiligt hat. Und mein Freund Hartmut, mit dem klassischen Satz: Das musste mit Röhren machen … Nun, das alles ist inzwischen der gelehrten Welt bekannt, da fass ich mich kurz …
(A für Anfang)
Ich will Ihnen heute Abend was anderes erzählen. Erinnern Sie sich, warum dies erste Gerät A1 heißt und die weiteren A 2, A 3, A4 und so weiter? …Das stimmt und stimmt auch wieder nicht. A steht für Anfang, für den ersten Buchstaben im Alphabet, hab
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