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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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blockt. Bei den vielen tausend Schaltgliedern muss immer irgendwo was klemmen und stocken und reißen. Und mit unsern groben Werkzeugen noch feiner sägen und feilen und lochen, damit hätten wir uns nur verrückt gemacht. Und meine Mutter mit ihren Seufzern hätte mich auch verrückt gemacht, so viel Arbeit, und der Junge ist nach drei Jahren immer noch nicht am Ziel. Und die fragenden Blicke meiner Schwester, jeden Monat hat sie mir fünfzig Mark zugesteckt, meine Schwester, die mich nicht unglücklich sehen wollte und mit der ich nicht reden konnte über mein Glück mit der heimlichen Geliebten   … Nun sollte sich alles zwischen Kathode und Anode abspielen,der Strom der Elektronen in der Röhre brauchte nur nach dem binären System geschaltet zu werden. Sehr simpel eigentlich, genial, der Hartmut. Aber Röhren waren schwer zu kriegen, wir hätten die in Massen gebraucht, dazu sehr teuer, die Dinger, woher sollten wir die nehmen? Stehlen war auch nicht unsere Spezialität. Die elektronische Lösung war einfach noch nicht an der Reihe   … Richtig, das war ungefähr zur gleichen Zeit. Bei uns, das kann ich ziemlich genau rekonstruieren, im Herbst Sechsunddreißig, bei den Amis später, aber auch bei denen hat es von der Idee bis zur Realisierung noch Jahre gedauert, bis die Röhren-Rechenmaschine fertig wurde. Dabei hatten die nun wirklich keine Lieferschwierigkeiten, und der Preis spielte auch keine Rolle   … Ja, wenn wir den Hitler und den Krieg nicht gehabt hätten   … Entschuldigen Sie, aber ab und zu ein Stoßseufzer über die Ungerechtigkeiten der Geschichte, das müssen Sie mir schon erlauben in einem so intimen Gespräch wie heute. Kurzum, auch mein Freund Hartmut hat den Nobelpreis nicht bekommen, obwohl er der Erste war   … Also, wir mussten notgedrungen einen Schritt rückwärts gehen, um zwei Schritte vorwärts zu springen. Die Elektronik vertagen, erst mal die kleinen Brötchen, die elektromagnetischen, die Relais, die gebrauchten Telefonrelais, Altmaterial. Erst mal ein Testmodell mit zweihundert Relais für das Rechenwerk, schon lagen die Vorteile auf der Hand: Wir haben weniger Platz gebraucht,es ging alles schneller, viel schneller. Und die Bleche, meine schönen laubgesägten Bleche, die Schaltglieder mit den Schaltstiften, die brauchte ich trotzdem nicht in den Müll zu werfen, die bildeten nach wie vor das Speicherwerk   … Laubgesägt hab ich schon damals gesagt, das muss ich betonen, damit mir nicht auch noch die Deutschlehrer aufs Dach steigen, wenn sie diese Sätze ihren Schülern vorspielen eines Tages   … Egal, dies Gerät, die A 2, der zweite Computer, er war nicht frei programmierbar, also kein Computer, okay   … Wo war ich stehengeblieben, beim Altmaterial. Wie sagt man heute   … So schreckliche Wörter hat man heute, und dann regen Sie sich auf, Herr Deutschlehrer, wenn ich laubgesägt sage, Frau Studienrat, Verzeihung   …

(Die Feinheiten der Schaltalgebra)
     
     
     
    Und dann, ich bin immer noch bei der Leidenschaft, die Schaltalgebra   … Jetzt gucken Sie schon wieder so betroffen, als wollte ich Sie auf den Scheiterhaufen führen. Nein, ich werde Sie nicht mit Details belästigen, nicht mit dem großen George Boole, der als Erster die Logik mit mathematischen Symbolen ausgedrückt und mit den Gesetzen der Algebra verbunden hat. Vielleicht nachher, wenn Sie müde werden, als Schlafmittel, vielleicht mach ich nachher diesen Spaß mit Ihnen. Ein kleiner Exkurs in die Boole’sche Algebra – und nach zwei, drei Gleichungen fangenSie an zu schnarchen, wollen wir wetten?   … Nein, ich schone Sie, jetzt schone ich Sie   … Eins allerdings müssen Sie wissen, das gehört zur Allgemeinbildung, und ich halte sehr viel von Allgemeinbildung. Ich meine die Grundsteine der mathematischen Logik. Konjunktion Verbindung, also: und, Disjunktion Trennung, also: oder, Negation Verneinung, also: nicht. Das ist das A und O, die heilige Dreifaltigkeit unserer Arbeit, wenn Ihre religiösen Gefühle das gestatten. Es hört sich simpel an, aber nur in der Fassung für simple Leute, die ich Ihnen hier liefere   … Das ist gut, das stimmt. Ja, mit Ada hatte ich gleichzeitig eine Konjunktion und eine Disjunktion und eine Negation! Danke für den Gedanken   … Obwohl das logisch gar nicht geht. Aber so verrückt bin ich nie gewesen, dass ich die Liebe für eine Sache der Logik gehalten hätte. Gerade die Liebe unter Logikern nicht. Sie könnten jetzt einwenden, Logik ist

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