Die Frau, für die ich den Computer erfand
das kann heiter werden, wenn ein Logiker zu träumen anfängt. Meine Phantasie hatte sie längst vorher erfunden, ich hatte sie fast fertig im Kopf ausgemalt, eine hübsche, versteht sich, schlanke, versteht sich, eine geistreiche, versteht sich, eine ideale Frau … Und auf einmal stand sie vor mir, auferstanden gewissermaßen aus dem Papier. Da hat es die Phantasie überhaupt nicht gestört, dass sie fast hundert Jahre älter war und keine Berlinerin. Mathematikerin war sie! Ja, die Frau meiner Träume, nicht auf der Straße entdeckt, nicht bei einem Studentenfest, sondern wo? In einer Anmerkung … Das darf ich heute ja zugeben, die Frauen waren mein Problem. Ich war fast dreißig, und auf eine Freundin wagte ich kaum zu hoffen. Mindestens achtzig, oft neunzig, manchmal an die hundert Stunden arbeiten in der Woche, sonntags hab ich mir den Achtstundentag gegönnt von 7 bis 15 Uhr und dann frei – und in den übrigen achtundsechzig oder siebzig Stunden, ja selbst im Tiefschlaf mit dem Kopf immer bei den Blechen, was bleibt einem da anderes übrig. Unter den Mathematikern und Ingenieuren hat es einfach keine Frauen gegeben, in den zwanziger Jahren ein paar, aber in der Nazizeit nicht. Und ich hab mich nachts oft genug gequält mit derfixen Idee, dass irgendwo in Berlin wenigstens eine gescheite junge Frau, eine Mathematikerin oder Ingenieurin wartet, eine Braut, mit der ich gemeinsam an der Universal-Rechenmaschine arbeiten könnte. Oder die das zumindest versteht, wie meine Schwester das verstanden hat. Das männliche und das weibliche Prinzip an einem Strang … Und als ich endlich mal eine für mich interessieren konnte, wie viele Arbeitsstunden kostete mich das! Die Schwester eines Kommilitonen, die immerhin Physik und Chemie für das Lehramt studiert hat, was schon für sich sensationell war. Da passierte das Übliche, ich war zu stürmisch oder zu tollpatschig oder beides, und sie ist geflohen. Aber das war nicht der Hauptgrund, sie ist geflohen vor dem Verrückten, der das ganze Wohnzimmer seiner Eltern mit einer riesigen Rüttelmaschine zugebaut hat, das ist mir erst später klargeworden. Da war nichts mit einer gemütlichen Sofa-Ehe, da hat sie es mit der Angst gekriegt. Also musste die Phantasie helfen … Im Erfinden war er ja ganz gut, aber im Finden nicht, könnten Sie schreiben … Noch in der Trauerzeit um die verpasste Chance bei dieser Hildemarie ist Ada aufgetaucht. Und sie, sie hat mich sofort verwandelt … Verzaubert, wenn ich das so platt sagen darf … Ich habe mich sofort verliebt, zuerst in ihren Namen verliebt, was sollte ich da machen … Ein Name im Dualsystem, sozusagen, ein Dreiklang aus zwei Buchstaben, die alles sagen, von hinten wie von vornzu lesen … Ein symmetrischer Name, nicht so brav wie Anna, eher stolz, selbstbewusst, verlockend und irgendwie klug. Ein Name wie ein Triumph, wie ein Triumphbogen, ein elegantes Eingangstor. Ein Name wie ein Abenteuer, auf jeden Fall wie ein Anfang. Ada steckt auch in Adam, der weibliche Adam … Dieser Name, den müssen Sie sich auf der Zunge zergehen lassen … Wie die Himbeeren … Ja, da staunen Sie, dass mir das so poetisch über die Lippen fließt, das hätten Sie dem alten Diplom-Ingenieur nicht zugetraut! Aber ich hatte mehr als fünfzig Jahre, um diesen Namen mit meinen Phantasien zu schmücken, in allen Einzelheiten. Und wie Sie sehen, ich bin immer noch verliebt … Außerdem, die Tochter von Lord Byron, das kam als hübsches Detail hinzu. Ich bin wirklich kein Mann der Poeterei, aber Byron war mir aus dem Englischunterricht bekannt … Ja, sicher, das hat mir geschmeichelt, dass sie die Tochter eines Dichters gewesen ist, wo ich mich doch ein wenig als Schüler von Rilke gefühlt habe … Auch ihr Nachname, love und lace! Merken Sie, wie das harmoniert und schwebt mit diesen zweimal vier Buchstaben, love und lace. Ich habe zuerst nicht wissen wollen, was lace bedeutet, habe nur meine Phantasie spielen lassen und mir das einfach als lake übersetzt, als See. Liebessee oder See der Liebe, das hat mir gefallen, obwohl ich gewusst habe, dass das nicht korrekt war. Ada Liebessee, das hatte etwas Romantisches, Vielversprechendes, Sinnliches, auch wasschön Obszönes, alles, was Sie wollen … Nein, später erst hab ich im Wörterbuch nachgeschlagen, Schnur, Senkel, Spitze, und so weiter. Also Ada Liebesschnur, auch gut, auch passend, die Schnur der Liebe, die mich … Die feinen
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