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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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den Kameras derganzen Welt meine Gerolsteiner Skizzen zeigen oder hier auf den Stoppelsberg zu einer Pressekonferenz einladen. Manhattan oder die Rhön, was wäre Ihnen lieber?   … Oder im Fernsehen eine Show abziehen: Seht her, auch beim Schachcomputer hab ich richtig gelegen! Auch da bin ich der Größte!   … Nein, das hab ich nicht nötig. Vielleicht ist das mein Problem, dass ich mich nie so richtig in einen Größenwahn hineinsteigern konnte. Vielleicht bin ich doch zu sehr von Charlie Chaplin geprägt. Ein Chaplin mit vierzehn Doktorhüten, auch keine schlechte Slapsticknummer   … Ich seh mich immer als armen Schlucker mit fixen Ideen, die er nicht aussprechen darf, weil er nicht für verrückt gehalten werden will   … Neununddreißig, da seh ich mich in der Uniform der Infantrie in jeder freien Minute an Schachformeln knobeln, während die Kameraden erst Polen erobern, dann Holland und so fort. Ich hatte immer mein Steckschach dabei, in der Kaserne, ich musste ja zum Glück nie an die Front   … Ja, ich kann immer noch meine alten Gefühle nachfühlen, die Angst in den Hosen. Die Angst, Soldat bleiben zu müssen. Man darf sich nichts vormachen, Sie können das mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung ausrechnen oder ohne, irgendwann wird der Soldat eine Leiche. Die Angst, wenn Sie vom Steckschach aufblicken in den frühen Nachthimmel so wie jetzt und zu den Sternen, die langsam auftauchen, und sich fragen, ob Sie jemals wieder in Ihre Werkstattdürfen oder welcher Befehl Sie morgen schachmatt setzt   … Ein Doktorhut für die überstandenen Ängste, das wäre mal was Neues, da würde ich auch eine ganz neue Rede halten   …

(Unabkömmlich)
     
     
     
    Das ist eine gute Frage   … Leben heißt für ihn kämpfen, überwinden, sich durchsetzen, so ähnlich steht das bei Spengler. Faust als Gefreiter der Infantrie? Und in der Kaserne? Nicht mal an der Front? Na ja, Mephisto hätte ihn uk-stellen lassen und ihm einen anständigen Kriegsauftrag besorgt. Der hätte es nicht zugelassen, dass sein Faust im Schützenpanzer verreckt, er brauchte den ja noch. Ein feiner Herr wie der Teufel holt sich die gekauften Seelen nicht gern aus dem Dreck der Schlacht, aus krepierenden, blutigen Körpern, oder was meinen Sie?   … Richtig, auch ich wurde uk-gestellt, nach einigen Monaten   … Da können wir natürlich fragen: Welcher Nazi-Teufel hat das gedeichselt? Henschel, das war mein Glück   … Ich wurde wieder Statiker bei den Henschel-Flugzeugwerken. Tagsüber an ferngesteuerten Bomben und Torpedos arbeiten, abends und am Wochenende an der A 2.   Das war wenigstens die halbe Miete. Ich war doppelt unabkömmlich, und Rilke schlug wieder den Takt:
Ich muss, ich muss, ich muss!
Jetzt wurde natürlich auch an Sonntagen vierzehn Stunden getüftelt. UndAda! Was hab ich ihr Abbitte geleistet am Abend und am Wochenende! Wie war ich hin- und hergerissen zwischen den technisch faszinierenden Aufgaben bei Henschel – und dem abendlichen Stoßgebet beim Wehrmachtsbericht, dass die Engländer, jedenfalls die Zivilisten, doch bitte nicht getroffen werden sollen   … Schizophren? Natürlich, im Krieg bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig als schizophren zu sein. Oder Sie werden völlig verrückt, entweder als hundertfünfzigprozentiger Parteigenosse oder als Trottel, der in der Anstalt landet, oder als Verweigerer im KZ. Dazwischen gab es doch nur die große Masse der Schizophrenen. Und von denen hat die Mehrheit vielleicht nicht mal gemerkt, wie schizophren sie war   …

(Keine Zeit, ein Nazi zu sein)
     
     
     
    Na, auf die Frage hab ich schon den ganzen Abend gewartet! Die Frage kenn ich auswendig, in allen Variationen, es ist die Lieblingsfrage Ihrer Zunft. Glauben Sie mir, zu mir kommt kein Journalist ohne diese Frage, und die kritischen Studenten und die technikfeindlichen Leute sowieso   … Sie haben sich bestimmt sehr beherrschen müssen, dass Sie jetzt erst damit rausrücken, junger Mann. Sie haben auf eine gute Gelegenheit gelauert, denn Sie wollen mich nicht verärgern, Sie wollen ja noch Ihre ganzen schönen Tonbänder vollkriegen. Und ich muss Ihnen sagen,dass ich auch ganz erleichtert bin, dass Sie es nun hinter sich haben. Sie haben in der letzten viertel Stunde so angespannt gewirkt, es ist Ihnen offenbar selber peinlich, mit der Frage aller Fragen herausrücken zu müssen. Und den passenden Augenblick nicht zu verpassen! Gratuliere, nun haben Sie es geschafft, jetzt können wir wieder

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