Die Frau, für die ich den Computer erfand
locker weiterreden … Keine Sorge, ich werde Ihnen nicht ausweichen, eine Antwort kriegen Sie natürlich auch. Die Antwort ist einfach: Ich hatte überhaupt keine Zeit, ein Nazi zu sein … Ich war besessen von meiner Arbeit, achtzig bis hundert Stunden die Woche, wie gesagt. Wer in der Partei war und Zeit für die Partei hatte, würde ich jetzt mal logisch folgern, war ein Faulpelz, schon das hat mir nicht gepasst. Eine Partei für Arbeitslose und Beamte. Nein, Scherz beiseite. Ich habe schon im Frühjahr Dreiunddreißig, nach der Machtergreifung, auf unsern Studentenfesten meine Erfahrungen gesammelt, plötzlich durfte man keine Witze mehr über die Politik machen. Dabei hatte ich meine Kritik nur in Zitate von Goethe und Schiller gekleidet! … Vergessen Sie nicht, ich war ein Fan von Charlie Chaplin. Nein, die Armleuchter waren nicht mein Fall. In meinem Freundeskreis hat es keine Parteileute gegeben … Nur zu, ich hab heute meinen ehrlichen Tag! … Nein, ein ausgesprochener Antinazi war ich auch nicht, das hab ich nie behauptet. Ich hatte überhaupt keine Zeit, ein Antinazi zu sein, könnte ich jetzt sagen. Natürlich war einer wie ichfasziniert von den technischen Möglichkeiten, die das neue Regime mit sich brachte, von dem wirtschaftlichen und technologischen Aufschwung, und von den Erfolgen. Ich war ein Mitläufer und ich bekenne mich dazu. Ich hatte gar keine Zeit, ständig mein Gewissen zu befragen. Rilke war mein Gewissen, Spengler … Und Ada … Na endlich, die Waffen. Dann bringen wir das auch gleich hinter uns. Natürlich hab ich an Waffen gearbeitet, mitgearbeitet, wie gesagt, mit den zwei Seelen in der Brust, wie es sich gehört. Sogar an der berühmten Gleitbombe 293 von Henschel, aber erst gegen Ende … Eine ferngesteuerte, mit Tragflächen und Leitwerk ausgestattete Bombe gegen Schiffe. Eine der ersten Fernlenkwaffen überhaupt, die können Sie heute in München, im Deutschen Museum bestaunen. Ist zwar kaum noch zum Einsatz gekommen, aber damit will ich nicht vertuschen, dass ich auch nicht tugendhafter gewesen bin als alle andern. Nennen Sie mir einen Ingenieur oder Wissenschaftler, der in diesen Zeiten nicht irgendwas Kriegswichtiges getan hätte oder etwas scheinbar Kriegswichtiges. Oder Unternehmer, die nicht Kriegsgewinnler gewesen sind bis kurz vor Schluss. Sie können alle großen Namen nehmen, die besten Adressen der Börse … Kriegswichtig, das war das entscheidende Kriterium, wenn man arbeiten wollte, das heißt, mit besseren Chancen überleben wollte als die Soldaten. Ich war nun mal nicht scharf auf den Heldentod … Das hab ich durchausversucht zu unterscheiden, aber leider hab ich nicht den moralischen Luxus genossen, frei wählen zu können, ob Angriffswaffen oder Abwehrwaffen. Nach Einundvierzig, ja, da haben wir bei Henschel an Flugabwehrraketen gearbeitet. Und ich gestehe freimütig, dass ich nicht gezögert habe, meinen kleinen Beitrag zu leisten, die Zivilbevölkerung vor britischen und amerikanischen Bombern zu schützen. Oder hätte ich die Bemühungen um den Bau von Abwehrraketen sabotieren sollen? … Na, sehen Sie. Ich musste mitmachen, wenn ich meine A2 und die A3 vorantreiben wollte mit faustischem Drang oder aus Liebe zu Ada. Die Alternative wäre gewesen, sich als Soldat totschießen zu lassen, ganz einfach. Und wenn jemand sagt, er habe nur an Abwehrwaffen gearbeitet, das ist erst recht verlogen. In Rathenaus AEG hat man während des Ersten Weltkriegs den modernen Stahlhelm erfunden, 1915, glaube ich … Man fasst es ja nicht, wie die sich damals mit der Pickelhaube aus Blech und Pappe und mit einem dreifachen Hurra reihenweise haben abschlachten lassen, die jungen Männer. Ein kleiner Artilleriesplitter im Kopf, und schon ist es aus mit dem dreifachen Hurra. Und dann kommt endlich ein vernünftiger Stahlhelm, ist das nun eine Angriffswaffe oder eine Abwehrwaffe? Er schützt den Kopf besser, verlängert das Leben, also Abwehr, ermöglicht aber auch neue Angriffe und Sturmangriffe, verlängert den Krieg und damit die Liste der Toten …
(Ich will die jungen Leute ja nicht verärgern)
Schwierige Fragen sind das, junger Mann, zu schwierige Fragen für uns beide, zu schwierig für einen lauen Sommerabend am Stoppelsberg … Waffentechniker haben ja kein tolles Image mehr, jedenfalls seit Hiroshima, das versteht sich. Aber ehe Sie den Stab über uns brechen, denken Sie bitte mal an die Ärzte, die all die jungen
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