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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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Braunschweiger Großsprechersprache klingt   …

(Ein braver Soldat)
     
     
     
    Und auf einmal wird zurückgeschossen   … Wir waren mitten im schönsten denkerischen Eifer, wir brachten die Relais in Schwung, wir tasteten uns voran,die segensreichste Erfindung des 20.   Jahrhunderts zu machen, langsam voran, oder schnell, wie Sie wollen, und auf einmal wird zurückgeschossen.
Seit fünf Uhr fünfundvierzig wird zurückgeschossen
, die Stimme des Führers hab ich heut noch im Ohr   … Das sagt sich so leicht: der Krieg   … Ihre Generation und die noch Jüngeren, Sie können sich das nicht vorstellen, wie man da aus der Bahn geworfen wird, das ganze Leben wird umgepolt, buchstäblich, Plus wird Minus und Minus wird Plus – wenn Sie Glück haben. Da werden Ihre Konjunktionen, Disjunktionen und Negationen über den Haufen geworfen und die ganze Lebenslogik   … Alles hat seine Ordnung, mehr oder weniger, Sie sind zur Schule gegangen, haben studiert, haben Ihren Beruf gefunden – und auf einmal werden Sie gezwungen, alles aufzugeben, alles stehen und liegen zu lassen, den Beruf, die Familie, die Freunde, die Braut, falls Sie eine haben, und ich hatte eine, wie Sie wissen. Sie müssen in einer unbequemen Uniform und fern der Heimat fremden Befehlen folgen, und Ihre besten Fähigkeiten und Fertigkeiten sind nicht mehr gefragt   … Ja, es waren fremde Befehle, würde ich heute sagen, auch wenn sie von deutschen Offizieren kamen. Jeder Befehl war mir fremd. Ich bin kein Typ, der gern gehorcht. Wir waren ja durch und durch Zivilisten, bis August Neununddreißig ist keine Uniform in unserm berühmten Wohnzimmer aufgetaucht. Keiner aus meinem Bekanntenkreis hat denKrieg gewollt, trotz aller Propaganda nicht. Auch die Begeisterung für Hitler hat sich sehr in Grenzen gehalten. Und England als Hauptfeind? Das Land von Ada Lovelace? Das Land von Boole? Gegen England hab ich keinen Hass gehegt, nullkommanull Hass, könnte ich sagen, aber durchaus einige Quanten Sympathie. Und die Liebe zu Ada, die wurde durch den Krieg nur stärker. Eine Feindin lieben, heimlich, streng geheim, top secret, das machte sie besonders begehrenswert   … Aber ich musste gehorchen und hab den Mund gehalten. Das einzig Verlässliche, was man dann hat und womit man sich tröstet, ist das alte deutsche Wort Pflicht. Ich muss meine Pflicht tun   … Ich wurde sofort eingezogen und hab meine Pflicht getan. Ein einsilbiges Wort mit ungewöhnlich vielen Buchstaben, ein Vokal und sechs Konsonanten   … Da stand nun meine A2 fast fertig in Berlin. Die Maschine hat nach mir geschrien, das Rechenwerk wollte rechnen, das Speicherwerk wollte speichern, die Relais wollten mir zeigen, was in ihnen steckt.   … Und was tut der brave Soldat? Er versucht, beide Pflichten zu vereinen, die Erfinderpflicht, an der Universal-Rechenmaschine zu bauen, und die nationale Pflicht. Und er stellt Anträge und spielt mit den Muskeln, mit seinen Fähigkeiten: Eine Rechenmaschine für den Flugzeugbau – da hieß es: Was wollen Sie, die deutsche Luftwaffe ist tadellos! Ein absolut sicheres Chiffriergerät – haben wir schon. Eine Röhrenmaschine zur Flugabwehr, mit Hartmutwar das geplant – da hieß es: Zwei Jahre brauchen Sie dafür? Was glauben Sie denn, wann wir den Krieg gewonnen haben?   …

(Schach in der Eifel)
     
     
     
    Ich will nicht klagen, ich hatte viel Freizeit. Freizeit, so etwas kannte ich ja gar nicht mehr. Das war ein Luxus, einigermaßen in Ruhe meine Theorien weiterzuentwickeln. Die Idee, nicht nur Zahlen, sondern alle Daten und Informationen in Ja-Nein-Werte aufzulösen, verstehen Sie, alles in Ja oder Nein zu zerhacken, die Idee ist auf dem Gelände einer Kaserne der Wehrmacht in der Eifel gewachsen, in Gerolstein. Der Urgedanke der Digitalisierung auf dem Kasernenhof   … Genau, da hat man immer Jawoll schreien müssen, ein Nein gibt’s nicht bei den Soldaten   … Und die Schachprogramme. Wie ich schon sagte, ich bin der erste Narr in der weiten Welt gewesen, der überzeugt war, dass eines Tages ein Rechner die Schachgroßmeister schlagen wird und am Ende sogar den Schachweltmeister. In fünfzig Jahren, hab ich geschätzt, und heute darf ich auch das in aller Stille genießen, dass ich damit ziemlich richtig lag. Ein Remis hatten wir schon, Schachgroßmeister wurden schon geschlagen, und in einem Monat trifft Kasparow in New York auf Deep Blue von IBM und wird matt gesetzt, wetten?   … Ich könnte nach New York fliegen und

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