Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
Vom Netzwerk:
gesagt. Es geht um Stolz und um Ehre und den praktischen Beweis meiner Fähigkeiten, aber auch um Liebe. Und man lässt, was man liebtoder wen man liebt, nicht im Stich. Das mag ja heute anders sein, aber zu meiner Zeit war das so, hab ich ihm gesagt, das ist doch das Mindeste! Und dabei hab ich ihn strafend angeschaut, als hätte er gerade seine Freundin sitzenlassen, und der wurde rot!   … Ja und nein. In der Liebe zu meinem Gerät steckte meine Liebe zu Ada, ob mir das nun bewusst war oder nicht, ist eigentlich egal. Wenn Sie mich im April Fünfundvierzig als rasender Reporter irgendwo auf der Autobahn bei Nürnberg vor einer zerbombten Brücke gefragt hätten oder bei der Fahrt durch München, eine Gespensterstadt, da standen nur noch Mauern und Fassaden, damals hätte ich Ihnen nicht so geantwortet wie heute mit fünfzig Jahren Abstand. Da hätte ich bestimmt nicht gesagt: Ich schleppe das Gerät aus Liebe durch die Gegend   … Man handelte intuitiv, und diese Intuition war ja richtig, wie wir später gemerkt haben   … Endlich sind wir angekommen, da unten im tiefsten Bayern. Es war schon alles voll mit Flüchtlingen, und keiner wollte uns, in Oberammergau schon gar nicht. Und die Bauern, überall, in Niedersachsen, in Franken, hatten sie uns geholfen, aber in Oberbayern, richtig feindlich waren die. Als hätten die nie Hitler gewählt, ausgerechnet die! Und tun dann noch so fromm mit ihren Passionsspielen, die können mir gestohlen bleiben! Na, ich will es kurz machen, über diese Zeit ist viel geschrieben worden, da ist es allen ähnlich ergangen. Bis zum letzten Tag Todesgefahr, aberdas Wort Gefahr ist viel zu harmlos dafür. Ganz zum Schluss hatte man die Wahl, entweder durch die SS oder durch den Feind noch einen Volltreffer abzukriegen. Wie viele haben im letzten Moment eine falsche Bewegung gemacht   … Genug, ich will endlich fertig werden mit den Kriegsgeschichten. Nach einigem Hin und Her, zum Glück hat das Benzin gereicht, sind wir im Allgäu gelandet, die V4 im Schuppen gut versteckt, und eines Tages im Mai war der Krieg endlich aus. Endlich. Aber noch lange nicht vorbei. Wir hatten uns gerettet, uns und das Gerät. Fürs Erste jedenfalls   … Es ist schon komisch, wie erleichtert ich bin, wenn ich hier, am 8.   Mai, einen Punkt machen kann. Selbst jetzt noch, im Juli Vierundneunzig, auf bequemen Terrassenstühlen mit Polstern, stellt sich die Erleichterung ein: Du bist durch! Ohne Querschläger! Geschafft!   …

(Der neue Kolumbus)
     
     
     
    Das hab ich mir gedacht, dass Sie mir die Erleichterung nicht gönnen! Die Frage nach Braun, die musste ja kommen, die lässt sich keiner entgehen. Da sehen Sie mal wieder, dass Sie auch nur Durchschnitt sind   … Gucken Sie nicht so! Ich helfe Ihnen und stelle sie selber, Ihre Frage: Wie war das damals, wenige Tage vor der Kapitulation, da unten in Bayern, erzählen Sie doch mal bitte, war es eine historische Begegnung? Als hätte mir diese eine Stunde irgendwelche höherenWeihen eingetragen! Nein, sage ich, ich habe weder seine Füße noch seinen Ring geküsst, und ich habe mir seitdem schon öfter die rechte Hand gewaschen, die der berühmte Mann gedrückt hat. Der Mann, der in den Vierzigern ganze Stadtteile von London zerstört hatte mit seinen Raketen, der wurde ja regelrecht vergöttert in den Sechzigern als der neue Kolumbus, ich erinnere mich gut.
Der Mond ist jetzt ein Ami
, das war die Schlagzeile, und der Held dahinter war einer von uns, ein Deutscher   … Das ist heute noch so, wenn Sie in einem Hörsaal oder in einem Altersheim eine Umfrage machen, Wernher von Braun kennen alle, mich vielleicht fünf Prozent. Mir ist es inzwischen ziemlich egal, aber damals   … Ich erinnere mich gut, in den Sechzigern ging es mir ja eher mies, mein absoluter Tiefpunkt. Wer war ich denn, ein gescheiterter Unternehmer, ein Angeber, der behauptete, den Computer erfunden zu haben und dem nicht mal das Patentamt glaubte. Ein Scharlatan und ein Trottel, der seine stolze Firma für eine Kiste Äpfel und ein Schock Eier verschenkt hat, verschenken musste. Aber einen Pluspunkt hatte er, das hatte sich seltsamerweise herumgesprochen, er konnte berichten, als einer der Letzten mit dem neuen Kolumbus gesprochen zu haben, bevor der von den Amerikanern gefangen und in die USA verfrachtet wurde   … Braun war ja aus Peenemünde mit ein paar tausend Mitarbeitern in den Harz gezogen. In das unterirdische Arbeitslager, von dem ich vorhingesprochen habe

Weitere Kostenlose Bücher