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Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
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erst in den USA begriffen hat, wie entscheidend die Computer, ich will mich nicht wiederholen   … Ja, ich muss zugeben, ich hätte da mitgemacht und nicht verweigert. Ich hätte mein bisschen Seele verkauft, fürchte ich. Und es vielleicht nicht mal gemerkt. Gedacht hätte ich: Leiste den Beitrag, den das Schicksal von dir geleistet haben will und stell den Universal-Rechner auf die Beine! So hätten wir die A3 schon 1940 fertig haben können und den Elektronenrechner Einundvierzig, würde ich schätzen, und die A 4, eine voll ausgebaute A4 schon Zweiundvierzig, mit allerhöchster Unterstützung   … Der Konflikt, der alte Konflikt zwischen edler Forschung und böser Anwendung, ich verstehe die moralischen Bedenken. Aber das vernünftige Abwägen, die richtige Entscheidung ist immer leicht, wenn man sie fünfzig Jahre danach durchspielt beim Rotwein am Abend. Oder beim Riesling oder beim Wasser in einer lauschigen Vollmondnacht. Sie dürfen nicht vergessen, erst seit Hiroshima ist diese Frage in den Vordergrund gerückt, seitdem meint ja jeder kleine Abiturient, auf so einem schwierigen Gebiet mitreden zu können. Ich kann Ihnen nur ehrlich sagen, wie ich mich verhalten hätte, und in meinem Alter darf man, muss man ja rücksichtslos ehrlich sein:Ich hätte mehr an das Funktionieren meiner Rechner gedacht als an ein zerstörtes London oder Rotterdam oder welche Stadt auch immer. Die Leidenschaft des Erfinders ist, wenn sie einmal da ist, einfach stärker, das lehrt die Geschichte, überall   …

(Raketen auf New York)
     
     
     
    Ach, das wusste ich nicht. Und ich wusste auch nicht, dass ich einem Von-Braun-Experten gegenübersitze heute Abend   … Soso, da hat er noch Raketen auf New York geplant am Ende, eine spezielle V2 für New York   … Das muss ich mir erst mal auf der Zunge zergehen lassen, der wollte Raketen in die Wolkenkratzer jagen! Manhattan platt machen! Kurz bevor er die Seiten gewechselt hat. Nein, das wusste ich nicht, das hat er in seinen Memoiren natürlich nicht erzählt. Woher haben Sie das?   … Und wie kommt es, dass Sie so viel über Herrn von Braun wissen?   … Na ja, es passt zu meinem Eindruck vom Herrenreiter. Da haben wir ihn endlich, Mephisto! Ja, wir hätten als Faust und Mephisto kooperieren können, in der schönen Uckermark, an der Ostsee. Nicht auszudenken   … Ja, wenn, wenn, wenn. Heute Abend stoßen wir ständig auf das große Wenn. Ich finde immer mehr Spaß an der Wenn-Fragerei, das muss am Alter liegen. Ein Wenn führt zum nächsten Wenn, und schnell sind die Schleusen offen für richtige Wenn-Schaltungen im Gehirn. Wenn,wenn, wenn wir mit verbesserten, computergestützten V-Waffen den Krieg gewonnen hätten oder ein, zwei Jahre verlängert – dann hätten wir die Atombombe aufs Haupt bekommen, eine auf Berlin, eine aufs Ruhrgebiet oder München, dann gute Nacht, nein, das will ich lieber nicht ausmalen   … Herr Mephisto von Braun. Da bin ich ungerecht, das muss ich zugeben, da steht mir kein Urteil zu. Aber ich merke, dass ich nicht vergessen kann, was er da im Harz, in diesem unterirdischen Arbeitslager angerichtet hat oder mitgemacht, so ein Schock war das für mich. Wahrscheinlich verbinde ich das mit Mephisto, weil es irgendwie passt, der Harz, diese Hölle tief unten im Harz   … Ja, vielleicht haben Sie recht, vielleicht braucht der Faust heutzutage keinen Mephisto mehr, er besorgt die Geschäfte des Mephisto so nebenbei mit   … Seit Auschwitz, seit Hiroshima ist Mephisto irgendwie aus der Mode, oder? Es ist irgendwie unanständig, über ihn zu reden. Und wem verkaufen nun die verschiedenen Herren Faust ihre Seelen? Sie bieten sie auf der Börse an. Nein, das stimmt auch wieder nicht, löschen Sie das, streichen Sie das! Nichts gegen die Börse!   … Diese Wennwennwenn-Fragerei kann einen ganz schön meschugge machen, finden Sie nicht?   … Sie haben längst gehört, was Sie zu diesem Punkt hören wollten, schätze ich. Alles auf Band, ich nehme nichts zurück. Ich hätte mein bisschen Seele verkauft, hab ich gesagt, und ich werde das nicht dementieren. Und Sie habenmein Plazet, diese Worte der interessierten oder uninteressierten Welt mitzuteilen in gebührendem Abstand nach meinem Ende, wie vereinbart   … Vielleicht ist das falsch. Ich sollte misstrauischer sein bei Ihnen. Das ist mir verdächtig, dass Sie so viel über Herrn von Braun wissen   … Ich seh schon, ich muss vorsichtig sein mit Ihnen. Es passiert uns braven Technikern

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