Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau, für die ich den Computer erfand

Die Frau, für die ich den Computer erfand

Titel: Die Frau, für die ich den Computer erfand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Christian Delius
Vom Netzwerk:
und wo ich mein Gerät auf keinen Fall unterbringen wollte. Ein paar tausend, halten Sie bitte die Luft an und stellen sich das konkret vor, und das in der Endphase des Krieges! Ich glaube viertausend, aber die Zahlen hab ich nicht genau im Kopf. Ein ganzes Heer von hochkarätigen Ingenieuren und Wissenschaftlern. Von denen hat er noch hundert mit nach Bayern nehmen können, er wird sich schon die besten und treusten herausgesucht haben. Und die waren in einem Hotel in den Alpen, in dem wir auch ein paar Tage kampierten, erstklassige Wehrmachtsverpflegung übrigens, eh wir in das Allgäu weitergezogen sind. Es drängte ja alles ins Hochgebirge, als gäbe es da einen Berghof für jeden   … Was wir geredet haben? Ich erinnere nur, ich hab ihm begreiflich zu machen versucht, wie wichtig Universal-Rechner für die Raketentechnik sind oder sein werden. Hatte ja einiges an Erfahrungen mit Gleitbomben und dem Rechner für die Flatterfachleute. Aber der hat mich nicht verstanden oder sich einfach nicht interessiert. Oder ich war zu aufgeregt, und der hat mich für einen dieser hunderttausend technischen Narren gehalten, die ständig ihre Supererfindung, ihr Perpetuum mobile an den Mann bringen wollen und sonst nichts im Kopf haben. Oder der war in Gedanken schon bei den Amis. Es war kein besonders günstiger Zeitpunkt für einen echten Austausch. Eine Woche oder drei Tage vor dem Hissen der weißen Fahne kann man schlecht Fachgesprächeführen. Ein tausendjähriges Reich geht unter, obwohl noch 988   Jahre fehlen, da ist man doch wie betäubt. Und ich war damals ein noch schlechterer P R-Agent meiner selbst als später. Heute erst wäre ich so frech zu behaupten: Raketen bauen ist simpel, aber sie auf Kurs halten und steuern, das geht nur mit Computern, mit gewaltigen Softwareprogrammen. So kam es dann ja auch, ohne die Rechner der amerikanischen Kollegen wäre von Braun nie bis zum Mond vorgestoßen. Aber im Mai Fünfundvierzig verstand selbst der Halbgott der V1 und V2 noch nicht, dass die Rechner die Schlüssel zum Weltraum sind. Und ich hatte keine Visitenkarte dabei   … Nein, das wusste ich nicht. Das bestätigt meine Vermutung, dass er im Kopf schon bei den Amis war, dass er im Geist schon desertiert war, dass er an gar nichts anderes mehr gedacht hat, interessant   …

(Den lieb ich, der Unmögliches begehrt)
     
     
     
    Nein, er imponiert mir durchaus, ich hab ihn immer bewundert und bewundere ihn noch heute.
Den lieb ich, der Unmögliches begehrt
, so heißt es doch im
Faust,
und schon deshalb hab ich mich ihm immer verwandt gefühlt. Pioniere, Erfinder, Visionäre, auf die lass ich nichts kommen. Selbst wenn sie einfache Opportunisten sind, so wie ich, oder eher der Typ Herrenreiter wie er, immer sehr geschickt, wennes um die eigenen Vorteile geht. Aber wir sind ja alle nur Menschen   … Na, das lässt tief blicken, dass Sie nicht widersprechen, wenn ich mich als Opportunist beschimpfe   … So eine gemeine Frage hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut, so spät am Abend schon gar nicht. Bravo, das hat noch keiner gewagt! Ist das Ihre Revanche für meinen Spruch
Wir sind ja alle nur Menschen
?   … Ja, da muss ich einen Moment warten, ob die zwei Seelen in meiner Brust sich einigen. Ein Glück nur, dass mir vor fünfzig oder fünfundfünfzig Jahren keiner mit dieser Frage gedroht hat   … Also, wenn sie mich nach Peenemünde befohlen hätten, die Nazis oder sagen wir die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt oder die Chefs von Henschel, dann hätt ich sowieso nicht nein sagen können. Da hätte auch jeder andere kleine Möchtegern-Faust gehorchen müssen. Und wenn sie mich eingeladen hätten oder sonstwie gelockt oder gedrängelt, ich hätte wahrscheinlich ja gesagt. Wobei Einladungen in einer Diktatur natürlich Befehle sind. Ich bin, auch wenn Sie das schockieren sollte, junger Mann, ich bin sogar ziemlich sicher, dass ich gern nach Peenemünde gekommen wäre, zum Beispiel 1938 nach der Fertigstellung der A1 oder später, mitsamt einer halbfertigen A2 oder 3 oder 4.   So jung und eine solche Beförderung! Und wenn ich mir das vorstelle: Endlich Material in Hülle und Fülle! Mitarbeiter nach Belieben! Das Ende der Laubsägenquälerei und der Abfallsammelei! Ich hätte in einem Raum mit Hartmutden Elektronenrechner, in einem andern meinen Relaisrechner bauen können, zwei Prototypen nebeneinander, ein edler Wettstreit wäre das geworden! Ja, wenn der von Braun damals schon begriffen hätte, was er

Weitere Kostenlose Bücher