Die Frau im Fahrstuhl
Sessel des Zimmers an Kerstin Olssons Bett gezogen und hielt ihr die Hand.
»Aber Signhild! Wieso schlafen Sie nicht? Und wieso stören Sie Frau Olsson?«, rief Schwester Ingrid.
Ohne einen Blick von ihrer Zimmergenossin zu wenden, sagte Signhild mit Würde: »Jemand muss über sie wachen. Sie ist schwer krank, und ihr kümmert euch nicht darum. Deswegen muss ich bei ihr sitzen.«
Kerstin Olsson blinzelte uns zu und machte eine abwehrende Handbewegung mit der freien Hand.
»Das macht nichts. Ich fühle mich sehr geborgen so. Es ist schön, dass Signhild eine Weile bei mir sitzen will.«
Ausnahmsweise sah Schwester Ingrid einmal ratlos aus.
»Wenn es Sie nicht stört… dann… also«, sagte sie unsicher.
»Überhaupt nicht. Signhild kann noch eine Weile bei mir wachen, bis sie müde wird«, meinte Kerstin lächelnd.
»Meinetwegen. Wir schauen in einer Stunde noch mal vorbei«, entschied Schwester Ingrid.
Wenig später erlitt ein alkoholisierter Leberpatient einen epileptischen Anfall, und es gab einen ziemlichen Aufstand. Da der Anfall ziemlich schwer gewesen war, dauerte es recht lange, bis der Patient nicht mehr in Lebensgefahr schwebte. Deswegen vergingen über zwei Stunden, bis wir wieder bei den beiden Damen vorbeischauten.
Signhild lag in ihrem Bett, aber sie wendete uns das Gesicht zu, als wir ins Zimmer schlichen.
»Das war wirklich Glück, dass ich an ihrem Bett gesessen habe«, sagte sie.
Schwester Ingrid nickte nur und trat ans Nachbarbett. Obwohl es recht dunkel war, sah ich, wie sie zusammenzuckte. Sie beugte sich über Kerstin und fühlte sowohl am Handgelenk als auch am Hals den Puls. Mit seltsamer, halb erstickter Stimme sagte sie dann: »Lauf, ruf den Diensthabenden. Die Patientin ist… tot.«
Von ihrem Bett aus krächzte Signhild: »Kein Wunder, so krank, wie sie war!«
Die Obduktion ergab, dass Kerstin an einem Blutgerinnsel in der Lunge gestorben war.
Noch heute, wenn ich diese Geschichte erzähle, läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter. Wie konnte die alte Krankenschwester wissen, dass die jüngere Frau todkrank war?
Am Tag darauf topfte Signhild die Pelargonie in ihre Kaffeetasse um.
Wie wir das Gespenst unserer Station loswurden
Das Gespenst, das unsere Station heimsuchte, war überaus nervenaufreibend. So weit war es also schon gekommen, dass niemand mehr nachts bei uns arbeiten wollte. Die Krankenhausverwaltung richtete einen Krisenstab ein, der die unhaltbare Situation lösen sollte. Als Stationsschwester – ich war das allerdings gerade erst geworden – musste ich an den Besprechungen teilnehmen. Außer mir waren noch die stellvertretende Stationsschwester Maria Strömberg, die Nachtschwester Stina Bengtsson, der Oberarzt der Chirurgie Tore Benzen und Eva Thuresson von der Krankenhausverwaltung anwesend. Eine uns unbekannte kräftige Dame von der Gewerkschaft saß auch mit am Tisch. Sie nahm die Interessen der Pflegehelferinnen wahr. Das Ganze ereignete sich Mitte der siebziger Jahre, als der Einfluss der Gewerkschaften gerade durch das neue Mitbestimmungsgesetz gestärkt worden war.
Tore Benzen war nicht sonderlich groß, strahlte jedoch so viel Autorität aus, dass ihn alle immer für größer hielten. Sein dichtes, grau meliertes Haar trug er hochtoupiert nach hinten gekämmt, und das ließ ihn größer erscheinen. Er räusperte sich und eröffnete die Besprechung: »Willkommen zu dieser ungewöhnlichen Konferenz. Ich gehe davon aus, dass Sie das, was wir heute Nachmittag hier besprechen, nicht weiterverbreiten.«
Alle waren damit einverstanden und nickten. Unser Oberarzt war immer sehr formell und hielt Distanz zum Fußvolk. Den Kragen seines Kittels hochgeschlagen, rannte er durch die Krankenhauskorridore, ohne nach rechts und links zu blicken, geschweige denn jemanden zu grüßen. Im Namen der Gleichbehandlung war er zu allen unfreundlich, zu Kollegen, den sonstigen Angestellten und den Patienten. Zu seiner Entschuldigung ließ sich nur anführen, dass er ein unglaublich fähiger Chirurg war.
»Obwohl sie schon seit mehreren Jahren ihr Unwesen treibt, macht sie keinerlei Anstalten zu verschwinden. Noch immer kommt sie jede Nacht.«
Er verstummte und schaute in die Runde. Niemand verzog eine Miene, aber die Frau von der Gewerkschaft hob vorsichtig die Hand. Als Tore Benzen sie daraufhin durchdringend ansah, wich sie zunächst zurück, fasste sich dann aber ein Herz und sagte: »Entschuldigen Sie, aber ich komme von SKAF, dem Schwedischen
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