Die Frau im gepunkteten Kleid
ertrinken. Plötzlich schraubte sich eine Welle hoch und begrub eines der Kinder unter sich; die Männer im Anzug rannten nach vorn, fuchtelten mit den Armen und brüllten. Der Schwimmer stürzte sich ins Wasser und fischte das gefährdete Meerbaby mit einer Hand heraus. Er
warf es an Land, wo man die kleine Gestalt in ein Handtuch hüllte und ihr ordentlich auf den Rücken klopfte. Gehätschelt wurde sie nicht.
Als Rose Washington Harold mit zitternder Stimme berichtete, was sie gesehen hatte, meinte er, es sei unsinnig, an das zu denken, was hätte passieren können, sie solle sich lieber über den glücklichen Ausgang freuen. Die meisten Menschen stürben durch Unfälle, und seien sie böswillig herbeigeführt. Während er sich energisch abtrocknete, berichtete er minutenlang vom Schicksal eines Kindes in Chicago, das immer an den Haustüren klingelte und dann davonlief. Mrs Fantano, eine Witwe, war dieser Belästigung durch das über ihr wohnende neunjährige Mädchen tagtäglich ausgesetzt. Deshalb legte sie sich eines Tages zur Teezeit auf die Lauer, riss die Tür im selben Augenblick auf, wo der Summer die Luft erzittern ließ, und packte die Übeltäterin am Haar, woraufhin das Kind blau im Gesicht wurde und starb. Entsetzt hatte Mrs Fantano einen Besenstiel in den Anus des Mädchens geschoben und den Körper auf die Feuerleiter geschleppt. Sie hatte nicht gewusst, dass der Quälgeist ein schwaches Herz hatte.
Rose hätte gern ein paar Fragen gestellt, aber das Wort Anus schreckte sie ab. Es sah Harold ähnlich, dass er diesen Körperteil nicht als Hintern bezeichnete.
Nun stand sie im Foyer des Hotels und dachte über Wörter nach, besonders über »Cocoanut Grove«, den Namen des berühmten Nachtclubs, in dem zwischen
den Tischen angeblich echte Palmen wuchsen, mit Plüschaffen in den Wedeln. James Cagney hatte in diesem Raum Teile seines Films Lady Killer gedreht. »Ich hasse ihn«, sagte sie laut, dachte dabei aber an Harold; Cagney mochte sie, auch wenn er klein war und ständig die Stirn runzelte.
Sie bat einen Hotelpagen, ihr den Eingang zum Club zu zeigen. Vor der Glastür stand ein untersetzter Mann und schrie etwas in ein Walkie-Talkie. »Bitte«, sagte Rose, »ich möchte gern die Sternendecke sehen.«
»Wie bitte?«, fragte er.
»Ich komme aus England«, erklärte sie. »Ich bin nur gekommen, um mir die Affen anzugucken.«
»Geht nicht«, sagte er und drehte ihr den Rücken zu.
Sie verzog sich in die nahe Damentoilette und versuchte sich zu kämmen. Von der Seeluft heute früh war ihr Haar ganz verklebt. Während sie daran herumzerrte, traten zwei Frauen in den Waschraum, die eine trug einen kecken Strohhut mit einem Starsand-Stripes-Band, die andere hielt einen kahlen Säugling umklammert. Die Frau mit dem Strohhut stellte sich vor dem Spiegel in Positur, leckte an einem Finger und befeuchtete ihre Augenbraue. »Ich schätze, er ist schon daheim und wieder nüchtern, Connie«, sagte sie, worauf die andere erwiderte: »Es ist gar nicht gut, wenn man allzu zuversichtlich ist. Die Zeit hat bestimmt ihre eigenen Heilmethoden.« Das Baby
starrte Rose mit großen Augen an und wartete auf ein liebevolles Lächeln. Sie wandte sich ab.
Als die Frauen fort waren, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel, und auch die Träne, die auf ihrer Wange balancierte. Ich werde nicht immer unglücklich sein, beruhigte sie sich und schnippte die Träne ins Waschbecken. Bald kümmerte Dr. Wheeler sich wieder um sie, und dann würde alles anders werden.
Washington Harold saß nicht mehr am Tisch, als sie in den Colonial Room zurückkehrte. Er stand in einer Menschenmenge, die sich vor den geöffneten Flügeltüren des Ballsaals staute. Über dem Lärm der Banjos hörte man Stimmen kreischen: »Wir wollen Bobby …«, gefolgt von stürmischem Applaus und ohrenbetäubend schrillen Pfiffen.
John Fury trat zu ihr. Er wirkte beschwingt. »Er ist da drin«, sagte er. »Zeit für ein neues Amerika.«
Fury war ein guter Kerl, er hatte Dr. Wheeler ausfindig gemacht und bestätigt, dass er zu Kennedys Gefolge gehörte. Er hatte sogar herausbekommen, dass Wheeler die Nacht zuvor im Haus eines Filmmenschen namens Frankenheimer verbracht hatte, bei dem Robert Kennedy zum Essen eingeladen war.
Der Mann mit dem gelben Pullover war auf einen Stuhl gesprungen, um besser über die Köpfe zur Tür sehen zu können. Rose zog die Schuhe aus und tat es ihm gleich, und sie sah, wie ein jüngerer Mann mit locker fallendem Haar die
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