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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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jemanden?«
    Sie war hell und nordisch, mit goldblondem Haar und einer weitläufigen Milchstraße heller Sommersprossen über dem Nasenrücken und in einem Bogen unter den Augen. Die Augen waren groß und blau, der Mund rosa und leicht geöffnet, die flinke Zungenspitze lag lauernd zwischen den schönen, weißen Zähnen. Der Reißverschluß ihres Overalls war bis ein Stück unterhalb der Brüste heruntergezogen, die sich frei und ohne technische Hilfsmittel entfalteten. »Laila«, sagte sie und ließ es wie eine Beschwörung klingen. Sie konnte noch keine zwanzig sein. Trotzdem war etwas Resigniertes in ihren Augen, als sei sie hundert Jahre alt und nichts könne sie mehr verwundern.
    »Hej«, sagte ich. »Nein, ich suche niemanden – hier.«
    Sie legte einen schmalen Finger an die Lippen. »Bist du allein?«
    »Meistens«, sagte ich. »Aber nicht immer.«
    »Wenn du willst …« Sie hielt inne, der Wirkung wegen. Ihr Finger glitt an meinem Kinn hinunter, folgte den Linien des Halses und strich mir leicht über das Schlüsselbein. »Ich habe ein Zimmer – einen Stock höher, und wir könnten …« Sie zwinkerte mit schweren, schwarzen Wimpern, die in scharfem Kontrast zu ihrem hellen Haar standen.
    »Wieviel würde mich das kosten?«
    »Fünfhundert, erst einmal – dafür hast du ’ne halbe Stunde.«
    »Und wenn ich Lust hätte, die ganze Nacht zu bleiben?«
    Ihr Mund öffnete sich noch ein Stück, und sie sah rasch an mir herunter. »Vier – tausend«, sagte sie. »Und wir nehmen auch Geschenke an.«
    »Ich fürchte, das würde für mein Bankkonto doch einen zu großen Gewichtsverlust bedeuten«, sagte ich und holte schnell das Bild von Arne Samuelsen hervor. »Aber ich kann dir ein paar Hunderter geben, wenn du mir was über diesen Typen hier erzählen kannst.«
    Sie sah mich an, und ihr Gesicht bekam einen ganz neuen Ausdruck: eine Mischung aus Schläue und Berechnung. Dann spähte sie auf die kleine Fotografie. Sie sah sich im Raum um. Ich folgte ihrem Blick und sah dasselbe wie sie. Zwei der kräftigsten Pinguine bewegten sich resolut auf uns zu. Sie blieben höflich vor uns stehen, und ein schneller Blick war genug, damit die sommernachtsblonde Laila hinter die Kulissen verschwand ohne auch nur ein einziges Wort des Abschieds. Der eine von ihnen, mit kurzgeschnittenem, rotblondem Haar, sagte leise und höflich: »Der Chef würde Sie gern sprechen, Herr …«
    »Veum.«
    »Genau.« Er trat zur Seite und machte mir den Weg frei.
    Ich sagte: »Ich kann gar nicht sagen, wie lange ich mich schon auf dieses Treffen freue. Wo ist er, der Chef?«
    »Folgen Sie uns.«
    Ich folgte ihnen. Über fünf Kartenrücken erspähte ich das Gesicht von Benjamin Sieverts, ich beruhigte ihn mit einem Blick. Es war auf jeden Fall gut zu wissen, daß es einen gab, der wußte, wo ich war.
    Die Tür schloß sich hinter uns, die gedämpfte Musik verstummte fast, die Stimmen waren wie abgeschaltet. Ich war wieder draußen im Flur, zusammen mit zwei kräftigen Pinguinen. Der Flur wirkte plötzlich kalt und zugig. Ein Schaudern durchfuhr mich.
    »Hier lang«, sagte der eine meiner Führer.

13
    Vor der letzten Tür im Flur blieben wir stehen, und der Chefpinguin klopfte an. Eine Stimme sagte: »Herein.«
    Wir kamen in einen Raum, der eine Mischung aus Büro und Boudoir darstellte. An einer Wand stand ein breiter Diwan, bedeckt mit einer grünen, schimmernden Seidendecke mit Fransen an den Kanten. Über dem Diwan hing eine ziemlich talentlose Kohlezeichnung von einer nackten Frau, die auf dem Rücken lag und uns mit offenem Mund anstarrte, oben wie unten. Am anderen Ende des Raumes prangte ein gigantischer Mahagoni-Schreibtisch, mit Reliefs an den Seiten, die jeden Amateurkunsthistoriker zweifellos dazu verleitet hätten, ihn einem Stil und einer Epoche zuzuordnen, aber mir sagten sie weniger als gar nichts. Auf dem Schreibtisch stand eine Karaffe mit etwas Braunem darin und ein halbvolles Glas mit einer sprudelnden Flüssigkeit. Es war offensichtlich nicht die allergeschäftigste Bürozeit.
    Hinter dem Schreibtisch saß Ole Johnny.
    Er wirkte recht klein, wie er da saß, aber das Prinzip war das gleiche wie bei den Pinguinen: breiter Brustkorb, enger Anzug. Trotzdem hatte Ole Johnny etwas Schwammiges, Schlaffes an sich. Er war um die fünfzig Jahre alt, und in seinem dunklen Haar waren graue Strähnen. Er hatte es von der Stirn nach hinten über den Schädel gekämmt, zu einer säuberlich drapierten Frisur, die Ende der fünfziger

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