Die Frau im Kühlschrank
kleines Heilsarmeeorchester und spielte durchdringend und falsch für eine kleine Anzahl von Zuhörern. Die Musiker hatten gerötete Hände und frostweiße Gesichter, und es blitzte kalt in ihren Messinginstrumenten. Wir gingen vorbei.
Unten am Kai hatte sich eine größere Menge versammelt. Zwei junge Leute tanzten betrunken umeinander herum und hauten schwerfällig um sich, wie Bären, die nach schwirrenden Bienen schlagen. Ab und zu trafen sie, und dann klatschte es dumpf. Die Zuschauer bildeten einen Kreis um sie. Ein paar ließen Anfeuerungsrufe los. Keiner versuchte dazwischenzugehen. Wir gingen vorbei.
In einem Hauseingang standen zwei heruntergekommene Kerle und eine noch schlimmer aussehende Frau. Sie teilten sich eine Flasche reinen Alkohols, und ihre Zungen waren schnell, wenn es darum ging, die Tropfen einzufangen, die am Mund vorbeiliefen. Die Frau fragte, ob wir auch etwas haben wollten, aber wir gingen vorbei. Wir wollten weiter.
Ich sah zurück. Das Heilsarmeeorchester hatte Pause, aber die Schlägerei am Kai ging weiter, und Alexander Kielland wachte unbeirrbar über das Ganze.
»Es sind in Stavanger«, sagte Sieverts, »in den letzten Jahren eine Menge solcher Lokale entstanden wie das von Ole Johnny – wo wir jetzt hinwollen.«
»Ole Johnny?«
»Ja, wir nennen ihn einfach so. Einer von den Ureinwohnern. Damals, in den fünfziger Jahren, als es noch mit einem gewissen Risiko verbunden war, Pornos zu verkaufen, war er einer von den wenigen in Stavanger, die das taten. Ordentliche, dänische Ware, lange bevor sie modern wurde. Er hatte einen kleinen Tabakladen – und dann erweiterte er das Angebot. Pornos, Verhütungsmittel. Alles, was in Stavanger vor zwanzig Jahren verboten war. – Aber er ist einer von denen, die durch den Ölboom wirklich nach oben gekommen sind.«
»So?«
»Ja. Die Jungs kommen von draußen an Land, weißt du. Die, die verheiratet sind und Frau und Kinder zu Hause haben, die fahren nach Hause. Aber viele sind Ausländer, die es sich nicht leisten können, nach Hause zu fahren, oder junge Kerle, die zu Hause nichts mehr verloren haben – und die sich plötzlich in der Stadt wiederfinden, die Taschen voller Geld und viele freie Tage. Was zum Teufel sollen sie anfangen? Sich bei den Pfadfindern anmelden?«
Vor einem Restaurant stand einer dieser jungen Kerle und stritt mit dem Türsteher. »Jetzt bin ich blau, weil ich da drin meine ganzn Mäuse auf’n Kopp gehaun hab, un nu lasster mich nich wieder rein, ej, wassn das für ’ne Art?« tönte es von irgendwoher weit in den Fjorden.
Der Türsteher schüttelte nur abweisend den Kopf.
Der Junge fing an, mit den Armen zu schlenkern, und plötzlich – ehe einer von uns reagieren konnte – hatte der Türsteher ihm einen Kinnhaken verpaßt, daß er rückwärts in den Rinnstein taumelte. Dort blieb er sitzen und blickte verdattert um sich.
Ich blieb stehen und sagte: »War das nicht ein bißchen zu hart?«
Der Türsteher kam zu mir herüber. Er war etwas kleiner als ich, aber ein breit gebauter, stämmiger Kerl mit einem Silberblick. »Das war Notwehr. Das hast du doch gesehn. Oder willste auch einen?«
Ich wollte keinen. Sieverts hatte dem jungen Kerl auf die Beine geholfen und ihm die Richtung gezeigt, in die er gehen sollte. Wir gingen weiter.
»Da siehst du’s«, sagte Sieverts. »Und es gibt Leute, die ganz schön Geld machen mit diesen – wie sollen wir es nennen – Freizeitproblemen. Die, die all diese neuen Läden betreiben, zum Beispiel. All die Mädchen, die hier ihrem Gewerbe nachgehen. Und dann solche wie Ole Johnny.«
»Der irgendein Lokal betreibt – wenn ich es richtig verstanden habe?«
Wir gingen ein paar Seitenstraßen hinauf, ich immer hinter Sieverts her. »Genau«, sagte er. »Das heißt – dem Anschein nach ist es eine ganz normale Wohnung in einem ganz normalen Haus. Wand an Wand mit dem Bethaus übrigens. Aber drinnen!«
»Ja?«
»Wart’s nur ab, dann wirst du’s sehen. Aber unten und im ersten Stock sind – Spielhallen eingerichtet. Unten sind hauptsächlich Automaten, aber was die einbringen, ist nicht gerade Kleingeld. Da drin hatte Ole Johnny früher seinen Tabakladen. Aber das ist noch gar nichts! Denn im ersten Stock findest du ein Spielkasino von internationalem Format. Hauptsächlich wird gepokert, zum Teil ganz schön hoch, das kann ich dir versichern. Ich hab da selbst ein paarmal mitgemischt.«
»Geld zu verdienen und Geld zu verlieren. Aber meist das letztere,
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