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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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jedem Tisch stand ein kunstvolles Gesteck aus Seidenblumen, und das Frühstück war einfach und kontinental. Ich blätterte in einer der Morgenzeitungen. Ronald Reagan grinste, und Jimmy Carter sah zerfurcht und verwittert aus. Es gab keinen Zweifel daran, wer die Wahl gewonnen hatte. Also war der Wahlkampf vorbei, die Fußballsaison zu Ende, die Wintersportsaison hatte noch nicht angefangen, und die Comics waren auch immer dieselben. Ich zog den Regenhut tief in die Stirn und schlug den Mantelkragen im Nacken hoch, bevor ich mich auf den Weg zu Laura Lüstgen machte. Wenn sie wirklich von ihrer Wohnung aus operierte, dann waren die Morgenstunden wahrscheinlich der beste Zeitpunkt, um sie anzutreffen.
    Der Schneeregen war dabei, in Regen überzugehen, und drinnen im Hof mit dem alten Lastwagenwrack ließ der strömende Regen den Schotter hochspritzen. Die gestreifte Katze lag unter dem Autowrack und starrte mit gelben Augen hinaus in das Naturschauspiel und den fremden Menschen. Drinnen in dem steilen Treppenhaus schüttelte ich die Regentropfen von Hut und Mantel, fuhr mit einer Hand durchs Haar und zählte die Scheine, die ich in meiner Brieftasche hatte. Im schlimmsten Falle würde ich die Konsultationen bezahlen.
    Ich tastete mich im Halbdunkel nach oben und klopfte erneut an die Tür. Nach einer Weile hörte ich unbestimmbare Geräusche aus der Wohnung. Dann ertönte eine rauhe Stimme durch die Tür: »Wer is da?«
    »Veum.«
    »Wer?«
    »Mein Name ist Veum.«
    »Und was zum Teufel willst du um diese Tageszeit?«
    »Kann ich reinkommen?«
    Ein Murmeln hinter der Tür.
    »Hallo?« sagte ich.
    »Ja ja ja, nich so hastig. Ich muß nur …«
    Die Tür ging einen Spalt weit auf, und ein verknittertes Frauengesicht starrte mir entgegen. Laura Lüstgen war eine verblaßte Blondine, hart an der Grenze der Vierzig. Die Schminke vom Vortag hing ihr verrutscht im Gesicht. Viel mehr sah ich nicht. Hinter ihr erkannte ich eine graubraune Tapete mit einem Muster fahlgrauer Lilien.
    »Tut mir leid, daß ich dich um diese Tageszeit störe, aber – ich werde bezahlen.« Ich hielt ihr ein paar Scheine hin. Ihr Blick fiel darauf und sie hatte Schwierigkeiten, ihn wieder loszueisen. Dann zuckte sie mit den Achseln, gab die Tür frei und ging mir voraus in die Wohnung.
    Sie trug einen rosa Unterrock mit Spaghettiträgern. Sie tapste barfuß durch den Raum, graziös wie ein schwangerer Bernhardiner.
    Das Zimmer war Schlafzimmer und Wohnraum zugleich. Das breite, ungemachte Bett präsentierte sein zerwühltes Bettzeug. Auf dem Boden stand ein Stapel alter Schuhkartons, auf dem Tisch neben dem Bett eine halbvolle Wodkaflasche. Durch eine halboffene Tür sah ich undeutlich die Küche – und etwas, das aussah wie der Abwasch von Tagen.
    Laura Lüstgen stolperte über ein paar undefinierbare Kleidungsstücke auf dem Boden vor dem Bett. Sie fluchte leise und ’zog den Unterrock über die Schenkel hoch, ehe sie sich setzte, die Bettdecke im Rücken und das Kopfkissen zur Hälfte unter sich. Sie saß da, mit gespreizten Beinen, und sie trug nichts unter dem Rock. Ihr nackter Schoß stülpte sich mir wie eine welke Orchidee entgegen, und ich wandte den Blick zur Seite, wenn auch nicht unbedingt aus Schüchternheit.
    Ich fand einen Platz in einem verschlissenen Lehnstuhl, holte das Bild von Arne Samuelsen hervor und reichte es ihr über den Tisch.
    Sie starrte darauf, mit Augen, die sich schwer erinnern konnten. »Ja – und was weiter?«
    »Hast du den Typen schon mal gesehen?«
    Sie nickte vage. »Ich mein schon, daß er mir bekannt vorkommt.«
    »Und wann?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Weiß der Teufel.«
    »Das tut er sicher. Wie wär’s mit letztem Mittwoch?«
    »Mitt – woch?« Sie sagte es, als sei das irgendwann im letzten Jahrhundert gewesen.
    Ich sagte: »Du gehst wohl nicht in solche Lokale wie – Ole Johnny’s?«
    »Ola der Knirps?« Es glitzerte in ihren farblosen Augen; etwas wie ein höhnisches Grinsen strich über ihre Lippen und war wieder verschwunden. Die Lippen waren breit, wirkten aber trocken und spröde. In einem Mundwinkel war ein offener Riß. »Nein, aber jetzt weiß ich wieder – vorigen Mittwoch, da bin ich mit Leuten mitgegangen, die von Ole Johnny kamen. Der ganze Haufen war sternhagelvoll, und sie hatten nur ein Mädchen dabei, bis sie … Einen von ihnen kannte ich, Lächel-Herrmannsen wird er genannt, weil er sein Gesicht nie zu ’nem Lächeln verzieht. Alter Junggeselle, der gern mit Scheinen

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