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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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bin noch da. Ich verstehe wirklich nicht, warum, aber wenn Sie absolut … An Krebs.«
    »Ich kann verstehen, daß es schwer ist, darüber zu reden, aber – Ihre Tochter – sagten Sie nicht, sie sei nur ein halbes Jahr später gestorben?«
    »Doch«, antwortete sie mit dünner Stimme.
    »Was – …«
    »Sie wurde getötet!« unterbrach sie mich scharf.
    »Getötet? Wie?«
    »Es war ein furchtbarer Unfall. Sie hatte keine Chance. Sie war auf der Stelle tot, und ihr – Freund – starb auf dem Weg ins Krankenhaus. Das war auf der Straße zwischen Øytese und Kvanndal, und sie wollten eine Fähre erreichen. Sie waren viel zu schnell gefahren. Es war furchtbar – sie zu verlieren, so bald nachdem …«
    »Ja, ich verstehe. Ich …«
    »Ich kann jetzt nicht mehr reden, Veum. Bitte – rufen Sie mich nicht mehr an. Ich – ich werde Arne nie wieder sehen, da bin ich ganz sicher!« Sie brach in Weinen aus und legte auf. Ich stand da mit ihrem Weinen in der Hand und starrte den Hörer an. Dann legte ich vorsichtig auf, wie um sie nicht noch weiter zu verletzen.
    Ich stand in der Telefonzelle und sah grübelnd vor mich hin. Es war nichts Mysteriöses an den beiden Todesfällen. Sowohl Arne Samuelsens Vater als auch seine Schwester waren, was man einen natürlichen Tod nennt, gestorben. Krebs und Verkehrsunfälle gehörten zu den häufigsten Todesursachen in diesem Land. Was war es also, was mich daran skeptisch machte?
    Ich wählte die andere Nummer. Es war die meiner Freundin beim Einwohnermeldeamt. Wir hatten einen besonderen Umgangston, und als ich ihre Stimme hörte, sagte ich munter: »Du errätst nie, wer hier ist …«
    »Der Geist aus der Flasche.«
    »Und auch nicht, woher ich anrufe.«
    »Woher denn?« Sie klang nicht sonderlich interessiert.
    »Aus Stavanger. Kannst du ein paar Daten für mich prüfen?«
    »Warum rufst du immer an, wenn ich am meisten zu tun hab, Varg? Kannst du nicht mal in den Weihnachtsferien anrufen?«
    »Hör zu – es ist wirklich ein ernster Fall. Es dauert nicht lange.«
    »Na gut … Worum geht’s?« fragte sie resigniert.
    Ich bat sie, die Informationen zu prüfen, die ich über Familie Samuelsen hatte. »Kannst du zurückrufen?« fragte ich und gab ihr die Nummer.
    »Gib mir eine Stunde«, sagte sie.
    »Ich steh in einer Telefonzelle, und hier wird nichts serviert. Können wir nicht sagen: in fünf Minuten?«
    »Ich hab auch noch was anderes zu tun.«
    »Du bist eine wunderbare Frau.«
    »Spar dir die Rosen für jemand anderen. Ich werd’ versuchen. Tschüß.« Sie knallte den Hörer auf.
    Ich blieb in der Zelle stehen. In Wirklichkeit waren wir gute Freunde. Sie hatte eine Schwester, die fünf Jahre jünger und einer meiner erfolgreichsten Fälle gewesen war, damals, als ich in der Jugendfürsorge arbeitete. Sie rief nach zehn Minuten zurück.
    »Hör zu«, begann sie sofort. »Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit. Ich hab eine Menge anderes zu tun, und deine Informationen sind sehr lückenhaft.«
    »Ach ja?« sagte ich.
    »Erstens: Wir haben keine Daten über einen Arne Samuelsen in der Familie. Der Mann starb ganz richtig 1972, aber die Tochter ist so lebendig wie du und ich.«
    »Ach!« Mir wurde schwindelig. »Aber, hör mal – was … Welche Adresse hast du von der Tochter?«
    »Die Heimatadresse. Dieselbe wie die der Mutter.«
    »Und sie ist das einzige Kind – ganz sicher?«
    »Ja, sag ich doch!«
    »Aber wer zum Teufel ist dann dieser Typ, den die Mutter Arne nennt?«
    »Bist du der Detektiv oder ich? Das mußt du selbst rausfinden. Vielleicht hat die Dame einen Liebhaber?«
    »So jung? Wohl kaum. Gut, ich danke dir. Du hast nicht noch weitere Asse im Ärmel?«
    »Nein – und schönen Sommer, Varg. Einen richtig schönen Sommer!«
    »Schönen …«
    Ich legte auf, in totaler Verwirrung. Ich stand an die Wand gelehnt in der warmen, stickigen Telefonzelle. Es flimmerte vor meinen Augen, und ich fühlte mich unwohl.
    Ich verließ die Zelle und ging auf die Straße. Auf dem Gehsteig vor dem Gebäude blieb ich stehen und holte tief Luft. Dann bewegte ich mich langsam wieder in Richtung Hafen, am Theater und dem fächerförmigen Bahnhofsplatz vorbei und hinunter zu den Fußgängerampeln, der Unterführung und Alexander Kielland.
    Draußen am Kai strömten Menschen zusammen. Nicht weit entfernt hörte ich eine Polizeisirene einsetzen. Ich verlängerte meine Schritte und ging schnell hinunter, eine unangenehme Vorahnung in der Brust.
    Ich kam gleichzeitig mit dem Polizeiwagen an.

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