Die Frau im Kühlschrank
angerufen?«
»Ich – dachte nicht …«
»Daß es uns interessieren würde? Es macht dir wohl Spaß, im Bad eingesperrt zu werden und übers Telefon Drohungen entgegenzunehmen, was? Oder ist das nur was, was du dir jetzt ausdenkst, um zu vertuschen, daß es wirklich Arne Samuelsen war ,der angerufen hat?«
Ich wurde langsam sauer. »Ich sag doch – weshalb zum Teufel sollte Arne Samuelsen mich anrufen, wenn er keine Ahnung hat – wenn ich wüßte, wo er ist, dann …«
Bertelsen beugte sich über den Schreibtisch. Es blitzte in seinen Augen, und das Gesicht war weiß. »Ich hab so das Gefühl, daß sich Arne Samuelsen in unmittelbarer Nähe befindet. Daß er hier in Stavanger ist und eine Art – Blinde Kuh spielt, mit uns. Wenn wir ihn nicht finden, bevor er …« Er machte eine ausladende Armbewegung. »Irene Jansen, Laura Ludvigsen. Was ist mit Lächel-Hermannsen? Und was ist mit den anderen Gästen?«
Ich sah ihn an, und er sagte: »Ja, was ist mit den anderen ,Veum? Wer waren sie? Hast du das vielleicht herausgefunden?«
Ich sagte: »Es waren noch zwei, stimmt’s? Zwei Männer? Und einer von ihnen trug einen Cowboyhut?«
»Aha?«
»Der einzige, den ich in Stavanger getroffen habe, der einen Cowboyhut trug, ist ein Typ namens Carl B. Jonsson, und der ist Sicherheitschef bei der Gesellschaft, bei der Arne Samuelsen angestellt ist.«
Er sah mich skeptisch an. »Du bist noch nicht lange hier, Veum. Ab und zu hab ich das Gefühl, daß halb Stavanger mit Cowboyhut herumläuft. Wie paßt dieser Jonsson ins Bild?«
Ich hob hilflos die Arme. »Keine Ahnung. Frag ihn.«
Er sah nachdenklich drein. »Auf Grund der Tatsache, daß er einen Cowboyhut trägt. Wenn er einen von seinen blöden Anwälten mitbringt, dann lachen die sich tot über uns, und andere mit. Ich muß was Konkretes haben, Veum – das verstehst du doch.«
Ich hob die Schultern. »Mehr hab ich nicht zu erzählen.«
Wir hörten eilige Schritte draußen auf dem Flur. Jemand klopfte heftig an die Tür und kam herein, ohne auf Antwort zu warten. Es war Lauritzen, der zurückkam. Er sah erregt aus. Er stammelte: »Sie – sie …«
Bertelsen und ich fragten im Chor: »Ja?«
Er schluckte und rang nach Luft. »Wir kamen hin. Keiner machte auf. Holten den Hausmeister. Es war – niemand da.«
»Niemand da?« wiederholten Bertelsen und ich wie aus einem Munde, wie in einer einstudierten Revuenummer.
Er redete jetzt in etwas vollständigeren Sätzen. Der Atem ging ruhiger. »Wir gingen durch die Wohnung. Im Wohnzimmer gab es Zeichen dafür, daß es einen Kampf gegeben haben könnte. Die Sessel standen durcheinander, und eine leere Blumenvase lag auf dem Boden. Und im Bad …«
»Ja?« wiederholten die Gebrüder Brothers monoton.
»Jemand hatte mit Lippenstift auf den Spiegel geschrieben, unten in der linken Ecke … Sir. Mit großen Buchstaben. SIR.«
»Sir?« wiederholte Bertelsen, allein dieses Mal. »Weiter nichts?«
»Es war ein merkwürdiger Kringel unten am R. Sie wurde sicher unterbrochen.«
»Sir?« sagte Bertelsen grübelnd vor sich hin. »SIR?« Er wandte seinen Blick wieder zu mir. Ich starrte stumm und nachdenklich zurück, ohne etwas zu sagen.
27
Die Gedanken schossen mir durch den Kopf. Elsa. Die Erinnerung an ihren Körper war noch lebendig. War es vielleicht das letzte Mal gewesen – für sie? Ich dachte an die Kerle, die draußen vor dem Haus gewartet hatten. Waren sie zurückgefahren – und hatten sich statt meiner sie gegriffen? Oder waren sie von Anfang an ihretwegen gekommen? Ich sah verstohlen auf die Uhr. Ich hatte eine Verabredung mit ihr um sechs Uhr. Das war erst in ein paar Stunden. Vielleicht würde sie kommen. Vielleicht hatte sie nur so zum Spaß SIR an ihren Badezimmerspiegel geschrieben. Vielleicht erinnerte es sie an etwas.
Bertelsen bat mich, Elsa zu beschreiben, und formulierte eine Fahndungsmeldung. Ich hatte ein flaues Gefühl im Körper, so als hörte ich meine eigene Beschreibung.
Ich starrte aus dem Fenster. Der Betrieb im Monopol war immer noch beachtlich. Es wirkte fremd und alltäglich zugleich, dort hineinzugehen, wieder herauszukommen, eine Flasche nach Hause zu tragen, nach Hause in ein graues, durchschnittliches Dasein, wo nichts Dramatisches mehr passierte, außer daß man Kaffee auf der Tischdecke vergoß.
Bertelsen räusperte sich zaghaft. »Tja. Dann bleibt wohl nichts mehr zu besprechen, Veum. Jedenfalls nicht im Moment.«
»Soll das heißen, daß ich gehen kann?«
»Ja. Hattest du
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