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Die Frau im Kühlschrank

Die Frau im Kühlschrank

Titel: Die Frau im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Ich hatte mich auf die Seite gedreht. Die Handschellen saßen sehr eng. Ich probierte vorsichtig, ob es möglich war, sie abzustreifen. Es schien unmöglich..
    Ich krümmte mich in Embryostellung zusammen und hielt die Arme hinter mir ausgestreckt. Indem ich erst das eine und dann das andere Bein durch die Öffnung zwischen den Armen zwängte, bekam ich die Handschellen vor den Körper. Ich hatte schon Wundstellen an den Handgelenken, und die Handschellen sahen deprimierend eng und stabil aus.
    Ich kniete mich hin, stand ganz auf und fühlte mit den Fingerspitzen an der Tür entlang. Sie saß fest im Rahmen. Die Scharniere waren an der Innenseite des Rahmens angeschraubt. Das Schloß war vielleicht aufzubekommen, wenn man die nötigen Hilfsmittel hatte, aber um den Riegel zu sprengen, brauchte man einen Elefanten.
    Da war nichts zu machen. Ich war eingesperrt, hilflos wie ein aufgespießter Schmetterling, allem ausgeliefert wie eine weiße Maus im Käfig eines Laboratoriums. Es gab nur eins: warten, bis die Wachen zurückkamen.
    Ich fühlte einen unbändigen Drang zu schlafen, mich einfach hinzulegen und alles zu vergessen – in einem barmherzigen Schlummer dahinzutreiben …
    Aber es wäre das Allerdümmste gewesen, schlafen zu wollen. Ich mußte in Bewegung bleiben, die Muskeln hindern, sich zu verkrampfen, Kräfte sammeln, bis sie endlich kämen, wenn ich überhaupt eine Chance haben wollte, den morgigen Tag zu überleben.
    Ich dachte an Ronald Reagan. Es wäre eine Erleichterung, seine Regierungszeit nicht erleben zu müssen, aber trotzdem … Ich würde nicht das Leben dafür opfern.
    Dann dachte ich an Solveig. Mit einem bitteren Seufzer legte ich den Kopf an die kalte Wand und dachte an ihre weiche Zärtlichkeit, ihre behutsamen Finger auf meinem Gesicht, ihre weichen Lippen an meinem Hals und meiner Brust und meinem Bauch …
    Mir traten Tränen in die Augen.
    Ich begann zu gehen. Ich ging auf und ab, von der einen Wand zur anderen. Ich dachte an all die Orte, wo ich gegangen war, unter freiem Himmel … auf den Hügeln um Bergen, über die Hardangervidda irgendwann vor zehn, fünfzehn Jahren, durch die Straßen von Paris, und tausendmal durch Nordnes, tausend und abertausendmal. Ich versuchte, Nordnespynten vor mir zu sehen, in einer solchen Winternacht im November. Die Bäume im Park sind fast nackt, nur die letzten braunen Blätter hängen noch. Das Seebad liegt still und ausgestorben da, und ein Schleier von Frost hängt über dem gelben Gras. Auf der anderen Seite des Byfjord liegt Askøy, flimmernd von Lichtflecken, vielleicht mit einem weißen Streifen ersten Schnees von ganz oben unter den Sternen. Der Fjord liegt schwarz und still, und du hörst leise das Wasser über den Tang spülen unten am Strand. Von Laksevåg herüber hörst du eine wütende Autohupe, von Sandviken den letzten Spätbus von Lønborg. Und du lebst. Es ist November, aber es ist nicht die letzte Nacht in deinem Leben, und du sollst nicht sterben. Du bist in Nordnes, Nordnes …
    Ich betrachtete halbblind die düsteren Mauern um mich herum, die massive Holztür. Varg, Varg – sollte es hier enden? Alles? Sollte Solveig in ein paar Tagen in der Zeitung von mir lesen als von einer Leiche, die irgendwo in Jæren an den Strand gespült worden war? Sollte ich – sterben?
    Ich ging immer noch. Ich hatte kein Zeitgefühl, versuchte nicht, die Minuten zu zählen. Die Dunkelheit war immer noch schwarz, die Kälte vielleicht noch beißender.
    Von weit her hörte ich ein grobes Lachen, näher als vorher. Sie kamen die Treppe herunter. Ich konnte Elsa nicht hören, nur die beiden anderen Stimmen. Die schläfrige klang jetzt fast eingeschlafen, die hitzige hatte die Schärfe verloren. Sie hörten sich an wie zufriedene Pferde nach einer Mahlzeit.
    Ich rollte mich am Boden zusammen, ganz hinten in einer Ecke. Ich schloß die Augen und versuchte, regelmäßig zu atmen, als würde ich schlafen.
    Der Riegel wurde zur Seite geschoben. Der Schlüssel schabte im Schloß herum. Die Tür wurde vorsichtig geöffnet, bis zur Wand. Einer von ihnen sagte: »Er liegt da hinten. Ich glaub, er schläft.«
    »Na, Kleine … Jetzt kannst du deinen Freund trösten, wenn du willst. Denk dran – es ist seine letzte Nacht.« Ein grobes Lachen ertönte.
    »Guck mal, er hat die Handschellen nach vorne gekriegt.«
    »Ach verdammt, das spielt keine Rolle, er kriegt sie ja doch nicht ab. Los komm, wir sollten uns ein bißchen hinlegen.«
    »Ja, nach dem Einsatz …

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