Die Frau im Kühlschrank
und zog. Es war, als würde mir jemand quer durch die Hand schneiden. Die Haut löste sich, und es fühlte sich an, als löste sich auch die äußerste Schicht der Knorpel. Mit schmerzvoller Anstrengung zog ich nochmals, so fest und brutal, wie ich konnte. Die Hand glitt aus dem Metall, der Arm schwang nach hinten, die Handschellen schlugen auf den Boden, und ich verlor das Gleichgewicht.
Ich blieb auf dem Rücken am Boden liegen, die schmerzende Hand vor dem Mund. Ich biß die Zähne zusammen und blies gegen meinen Handrücken. Elsa saß vornübergebeugt zwischen meinen Beinen, das Gesicht an meinem Bauch.
»Wir haben’s geschafft, wir haben’s geschafft!« jubelte sie, als sei das ein Grund zum Jubeln.
Wir waren noch immer eingesperrt, und das war nur der erste Schritt gewesen. Es warteten härtere Brocken auf uns.
33
Ich hielt ihr Gesicht fest zwischen meinen Händen. Die Handschellen, die lose von meinem Handgelenk hingen, klirrten leise. »Es kann hart werden, Elsa. Und wir haben keine großen Chancen. Aber es ist die einzige Möglichkeit. Wenn nicht …«
Ihre Augen waren groß in der Dunkelheit. Sie sagte ruhig: »Ich weiß. Wenn nicht, sind wir tot, beide, morgen um diese Zeit.« Erst beim letzten Wort brach ihre Stimme, und sie biß sich auf die Lippe.
Ich sah auf die Uhr. Es war fast sechs. Draußen war die Nacht an ihrem kältesten Punkt. Ich nahm sie schnell in den Arm. Dann ließ ich sie los. Ich legte mich an die Wand, in der Ecke gegenüber der Tür. Ich krümmte mich um meine Hände zusammen und hielt mit der freien Hand die Kette, damit sie nicht sahen, daß ich mich befreit hatte. Dann sagte ich leise: »Okay. Fang an.«
Sie ging zur Tür. Ich sah, wie sie die Hände zu Fäusten ballte und wieder öffnete, und sie stand mit gebeugtem Nacken vor der massiven Tür. Ein kleines Mädchen, das an der eigenen Haustür geklingelt hat und auf Schelte wartete.
Sie begann gegen die Tür zu hämmern und zu treten, während sie rief: »Hiiilfee! Hiiilfee! Hiiilfee!« Zwischendurch stand sie still und horchte, mit angehaltenem Atem.
Mein ganzer Bauch verkrampfte sich. Wenn sie beide kamen, hatten wir keine Chance. Kam nur einer von ihnen – dann vielleicht …
»Hiiilfee! Hiiilfee!« Sie drehte sich zu mir herum, verzweifelt. »Scheiße, Varg. Sie hören mich nicht.«
»Mach weiter«, murmelte ich. »Das ist die einzige …«
»Ich weiß!« unterbrach sie mich hitzig. Dann riß sie sich zusammen. »Oh, entschuldige – ich …«
»Ich hab auch Angst, Elsa«, antwortete ich kläglich. »Mach weiter!«
Sie machte weiter. »Hiiilfee! Hiiilfee!«
Über uns ertönten schwere Schritte. Einen Augenblick später hörten wir jemanden die Kellertreppe herunterkommen.
»Helft mir«, schluchzte sie. »Helft mir!«
Die Schritte stoppten vor der Tür, und Kalles Stimme ertönte barsch durch das Holz.
»Was ist das für ein verdammter Lärm. Halt die Schnauze, du Nutte!«
Sie wimmerte. »Ich blute …«
»Was sagst du? Red lauter!«
»Ich verblute!« schrie sie mit Fistelstimme. »Ich sterbe – ich sterbe – ich sterbe!«
»Scheiße, verdammte«, brummte es draußen. Der Riegel wurde zur Seite geschoben. Die Tür wurde aufgeschlossen. Ein schwacher Lichtschein fiel in den Raum, aber Kalle blieb draußen stehen. Ich wußte, daß er mich beobachtete. Ich bewegte mich etwas, versuchte, überzeugend zu stöhnen: »Bringt sie raus, verdammt. Sie verblutet … Ihr …«
»Schnauze!« fuhr er mich an und stapfte in den Raum hinein. Die Tür ging hinter ihm ein Stück zu, und seine Augen waren nicht an die Dunkelheit gewöhnt. Er blickte blind um sich. »Scheiße, wo bist du?« fragte er. Dann schrie er auf. Sie hatte ihm zwischen die Beine getreten, und sie hatte gut getroffen. Ich war auf den Knien – und dann auf den Beinen – schnell wie der Blitz. Elsa warf sich zur Seite. Kalle stand gekrümmt da und hielt die Hände gegen seinen Unterleib. Es gab keinen Grund, barmherzig zu sein. Ich hob die Hand, an der die Handschellen hingen, und schlug ihm direkt hinter dem Ohr auf den Hinterkopf. Er grunzte leise und ging zu Boden wie ein Ochse. Ich nahm Elsa bei der Hand und zog sie mit hinaus. Wir schlugen die Tür zu und schoben den Riegel vor.
Oben in der Hütte war Jolle neugierig geworden, das konnten wir hören. »Da drüben – die Kellertür«, zischte ich.
Ich sah mich verzweifelt nach etwas um, das als Waffe dienen konnte. Ein Stockwerk höher lief Jolle mit schweren Schritten über uns. Im
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