Die Frau in Rot: Roman (German Edition)
Lächeln, als dessen Ursache er bei jedem anderen vermutlich sofort Verliebtheit diagnostiziert hätte, gegen die sich bekanntlich so gut wie nichts tun ließ, selbst mit moderner Medizin nicht. Aber ehrlich gesagt wollte er auch gar nichts dagegen tun, sondern stattdessen jeden Augenblick dieser »Krankheit« genießen.
Max, Valerie und der Maler saßen auf der Veranda, als Anouk gegen halb neun im Trottengässli ankam. Die drei winkten ihr fröhlich zu, als sie vom Rad stieg und die Stufen hinaufeilte.
»Und wo sind die Brötchen?«, fragte ihre Großtante und erhob sich aus dem Sessel.
»Brötchen?« Anouk schaute verwirrt von einem zum anderen.
»Der Herr Doktor sagte …«
»Liebe Valerie, hatten wir uns nicht eben erst auf Max geeinigt?«, unterbrach Max ihre Großtante und grinste.
»Ja, natürlich!«, errötete diese. »Also, Max sagte, du wärst zum Bäcker gefahren.«
Anouk warf ihm einen verblüfften Blick zu, worauf Max nur entschuldigend die Schultern hochzog.
»Ausverkauft«, stammelte sie. »Restlos. Tut mir leid.«
Sie reichte dem Belgier seinen Rucksack, den er ihr aus der Hand riss und an seine Brust presste, als enthielte er Goldbarren.
Valerie hob erstaunt die Augenbrauen. »Tatsächlich? Wie ungewöhnlich. Nun ja, dann gibt’s eben Rühreier ohne Brot. Monsieur van der Hulst, würden Sie mir bitte zur Hand gehen?«
Sie bot dem Maler ihren Arm, was diesen dazu nötigte, ihr in die Küche zu folgen.
»Wo bist du denn gewesen?«, fragte Max mit halblauter Stimme und warf einen Blick über die Schulter. »Es war mir doch recht unangenehm, als deine Tante in aller Früh ins Zimmer kam und wissen wollte, ob sie deine Büstenhalter waschen soll.«
Anouk lachte, wurde aber sofort wieder ernst.
»Rufli hat das Bild.«
Max schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich verstehe nicht. Das liegt doch in meinem Wagen, und der steht droben am Eichberg.«
»Ja … nein, eben nicht.« Sie blickte schuldbewusst auf ihre Hände. »Ich wollte es holen gehen«, sie legte Max’ Autoschlüssel auf den Tisch. »Rufli ist mir offensichtlich gefolgt und hat sich das Bild gekrallt. Es tut mir leid.«
»Was?«
»Nicht so laut!«, zischte sie. »Er hat mir gedroht. Sagte etwas von die Morlots hätten schon genug Ärger gemacht, und ich solle mich nicht weiter einmischen. Er würde sonst andere Saiten aufziehen. Dann hat er wieder einen lateinischen Spruch losgelassen. Er wusste auch, dass ich diese Sprache nicht beherrsche und du mir die Worte übersetzen würdest, was er dann aber selbst noch getan hat. Nur, woher weiß er das alles?«
»Was sagte er denn genau?« Max beugte sich zu ihr hinüber und küsste sie auf die Wange. Dabei ließ er seinen Blick begehrlich über ihren Busen wandern. »Schade, dass du nicht da warst, als ich aufgewacht bin.«
Anouk schlang ihre Arme um seinen Hals. »Ja, sehr bedauerlich.« Sie lehnte sich zurück. »Das Ende krönt das Werk.« Sie fröstelte plötzlich. »Was kann er damit meinen?« Max zuckte leicht mit den Achseln und schüttelte den Kopf. »Auf alle Fälle«, fuhr Anouk fort, »stecken wir nun im Schlamassel. Ich habe mir so viel von dem Bild versprochen. Irgendwie … eine Eingebung oder so.« Sie schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. »Apropos Eingebung. Die Dame auf dem Porträt trägt wahrscheinlich meinen Perlenanhänger.«
Max schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich verstehe schon wieder nicht.«
Anouk lachte. »Na ja, es ist wohl nicht der meine, aber er sieht ihm zumindest verblüffend ähnlich.« Sie seufzte. »Aber nachdem wir das Bild durch meine Dummheit verloren haben, können wir auch diesem Umstand nicht mehr auf den Grund gehen. Im schlimmsten Fall wird Rufli das Gemälde zerstören.«
»Das denke ich nicht«, meinte Max und strich ihr zärtlich eine Strähne hinters Ohr, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte. »Dafür ist er zu sehr Historiker, als dass er ein solch einzigartiges Zeitzeugnis vernichten würde.«
Anouk schürzte die Lippen, erwiderte aber nichts. Sie traute dem Kurator alles zu, wollte aber nicht als Schwarzseherin dastehen.
Kaffeeduft drang zu ihnen auf die Veranda heraus, und sie stand auf.
»Ich verhungere. Komm, lass uns frühstücken. Und dann entwerfen wir einen Schlachtplan. So leicht kommt mir der Professor nicht davon!«
»War Tati nicht erstaunt darüber, dass du bei mir übernachtet hast?«
Anouk lag auf dem Bett, während Max, ein Handtuch um die schmalen Hüften, im Badezimmer stand und sich mit
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