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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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ihrem Ladyshave zu rasieren versuchte.
    »Schien mir nicht so«, murmelte er und fluchte leise. »Sind Dreitagebärte eigentlich noch in Mode?«
    Anouk schmunzelte. »Klar doch!«, rief sie und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Sie ist schon klasse, nicht?«
    Max legte den Rasierer brummelnd auf den Waschtisch zurück und setzte sich aufs Bett.
    »Ich wünschte, ich hätte so eine Großtante. Du hast wirklich Glück.«
    Er strich mit seinem Finger über ihren Unterarm.
    »Du bist ein Einzelkind?«, fragte sie und hielt sein Handgelenk fest.
    Max nickte. »Und Vollwaise. Meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen, ich hatte damals gerade mit meinem Studium begonnen. Jetzt habe ich nur noch meine Oma.«
    Sie legte ihre Hand auf seine warme Brust. »Das tut mir leid. Das muss sehr schwer für dich gewesen sein.«
    Er räusperte sich, griff nach ihrer Hand und küsste ihre Fingerspitzen.
    »Ja, war es. In jeder Hinsicht.«
    Er verstummte abrupt, und Anouk hatte das Gefühl, dass er ihr etwas erzählen wollte, sich aber nicht recht entscheiden konnte, ob er es auch tatsächlich tun sollte. Er hielt immer noch ihre Hand und fuhr mit einem Finger langsam ihre Lebenslinie nach.
    »Meine Mutter hatte einen Hang zum Übersinnlichen«, begann er zögerlich. »Ihr Leben bestand aus dem Legen von Tarotkarten, aus Horoskopen und diesem ganzen Zeugs. Mein Vater und ich machten uns immer ein wenig lustig darüber.« Er lachte, aber in seiner Stimme schwang Traurigkeit mit. »Ab und zu traf sie sich mit einer Gruppe von Leuten, die Séancen veranstalteten. Geisterbeschwörung, Tischerücken und so … du weißt schon. Eines Tages, ich hatte eben mit dem Studium angefangen, rief sie mich in meiner Studentenbude an und erzählte mir, dass sie und mein Vater bald bei einem Unfall ums Leben kommen würden.« Anouk schluckte. Max räusperte sich und warf ihr einen schnellen Blick zu. »Ich glaubte ihr natürlich kein Wort und schimpfte sie regelrecht aus. Am nächsten Tag waren meine Eltern tot. Ein Laster war auf der vereisten Autobahn ins Schlittern gekommen und hat ihren Wagen wie eine Ziehharmonika zerquetscht. Sie starben beide noch an der Unfallstelle.«
    Anouk schüttelte erschüttert den Kopf. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie und drückte seine Hand.
    Max nickte. »Ich hab’s dann später selbst einmal versucht. Eine Kommilitonin, von der es hieß, dass sie ›die Gabe‹ hätte, wollte Kontakt zu meinen Eltern aufnehmen.« Er zuckte mit den Schultern. »Es hat natürlich nicht funktioniert. Aber etwas war da, Anouk! Auch wenn ich keine Stimmen hörte oder so, irgendetwas war im selben Raum mit uns. Nenne es eine Kraft oder meinetwegen einen Geist. Aber es hat mich seltsamerweise getröstet, weil ich mich immer schuldig gefühlt habe, meiner Mutter nicht geglaubt zu haben.« Er hob den Kopf. »Blöd, nicht?«
    Statt einer Antwort zog Anouk ihn in ihre Arme, und sie küssten sich lange und zärtlich.
    »Und was tun wir nun als Nächstes, Frau Morlot?«, ergriff Max erneut das Wort, als sie sich wieder voneinander lösten. Anouk begriff, dass er nicht weiter über seine Vergangenheit reden wollte.
    »Wir müssen unbedingt Tatis Geschichte erfahren«, schlug sie vor. »Ich bin mir sicher, dass wir damit des Rätsels Lösung einen großen Schritt näher kommen. Und wenn nicht, werden wir zumindest mehr über Rufli herausfinden.«
    »Ja, lass uns Valerie fragen«, stimmte er zu und schob ihr T-Shirt nach oben. »Aber etwas später. Du bist so schön«, flüsterte er und zeichnete mit seiner Hand die Linie ihres Busens nach, bis Anouk schauderte.
    Sie entledigte sich ihrer Kleider, half Max aus den seinen und kuschelte sich an seine warme Brust. Sie ließen sich Zeit. Der gestrige Rausch hatte den ersten Hunger gestillt; jetzt ging es darum, dem anderen Lust zu bereiten. Dessen Körper, Empfindungen und Wünsche kennenzulernen.
    Als Max in sie eindrang, hätte Anouk am liebsten geweint. Es war nicht nur das Physische, das sie überwältigte, sondern Max gab ihr damit auch ein Stück ihrer selbst zurück, das der Unfall und Julias Tod ihr entrissen hatte.
    »Ich liebe dich«, flüsterte sie, als er mit einem Stöhnen auf ihr zusammenbrach. Er hörte ihre Worte nicht, doch das spielte keine Rolle. Wichtig war nur, dass sie in der Lage gewesen war, sie auszusprechen.

    Als sie nach einer Stunde hinuntergingen, fanden sie Valerie im Wohnzimmer auf dem Sofa liegend vor. Debussys Klänge erfüllten den Raum, auf

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