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Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Die Frau in Rot: Roman (German Edition)

Titel: Die Frau in Rot: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot S. Baumann
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dem Jungen ein Glas Bier spendiert, weil wir wussten, dass er keinen Alkohol verträgt. Er ist dann auch tatsächlich am Tisch eingeschlafen, so dass wir den restlichen Abend über unsere Freiheit hatten. Viola hatte ein Auge auf Walter Rufli, Herberts Bruder, geworfen.«
    Von einem Bruder hatte Anouk noch nie etwas gehört, deshalb hakte sie nach. »Der Professor hat einen Bruder?«
    »Hatte«, seufzte ihre Großtante. »Er ist in jenem Sommer gestorben. Herbert und Walter waren Zwillinge.«
    Anouk und Max sahen sich alarmiert an. Valerie bemerkte es nicht und fuhr fort.
    »Die Ruflis waren sehr beliebt im Dorf. Beide groß gewachsen, hübsch, intelligent, reich, aus guter Familie. Der Traum jeder Schwiegermutter. Und doch sah man die beiden immer nur zusammen, nie mit einem Mädchen. Es gab sogar Gerüchte, dass die zwei womöglich …« Sie räusperte sich. »Aber Viola gab nichts auf das Geschwätz der Dorfbewohner. Deine Großmutter war wie du, Anouk. Sehr selbstbewusst, mutig und immer auf der Suche nach einem Abenteuer.«
    Anouk und Valerie lächelten einander verständnisinnig an.
    Max verdrehte in gespielter Verzweiflung die Augen. »Hört, hört!«, murmelte er halblaut.
    »Also, es war Schützenfest«, Anouks Großtante griff nach ihrer Teetasse und nahm einen Schluck, »und als die Musik einen Walzer spielte, stand Viola einfach auf, ging zu Walter hinüber, der mit Herbert an einem Tisch saß, und forderte ihn zum Tanzen auf.« Valerie legte eine Hand an ihre Brust. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was daraufhin für ein Geflüster einsetzte. Zu jener Zeit war es für ein Mädchen noch unschicklich, einen Jungen aufzufordern.« Sie lächelte, und Max blinzelte Anouk zu. »Nun, Walter tanzte mit Viola nicht nur diesen Walzer, sondern auch jeden darauffolgenden Tanz, bis die Musiker ihre Instrumente zusammenpackten.« Sie runzelte die Stirn. »Ich selbst habe dagegen, wenn ich mich richtig erinnere, nur ein- oder zweimal das Tanzbein geschwungen. Ich war zu dieser Zeit noch enorm schüchtern.« Sie brach ab, schenkte sich noch einen Tee ein und rührte gedankenverloren in ihrer Tasse.
    »Ist das alles?«, fragte Anouk frustriert.
    Ihre Großtante sah sie strafend an. »Nein, natürlich nicht. Sei doch nicht so ungeduldig, Kind!« Sie schüttelte missbilligend den Kopf. »Du solltest wirklich etwas mehr Geduld haben. Nicht wahr, Max?«
    Der Angesprochene nickte. »Genau, sollte sie.«
    »Seit jenem Tanzabend waren Viola und Walter unzertrennlich. Man lud sich gegenseitig zum Tee ein. Ging zusammen am Sonntag zur Kirche, zum Schwimmen und veranstaltete Picknicks im Wald. Was man halt in der damaligen Zeit so alles unternehmen konnte. Natürlich waren immer entweder meine Eltern, ich oder Herbert mit dabei. Walters Eltern waren nicht sehr entzückt über diese Verbindung, ebenso wenig wie Herbert, der seine Abneigung gegen Viola offen zur Schau trug. Mich beachtete er überhaupt nicht. Ich war ihm vermutlich noch zu jung. Aber Viola triezte er, wo er nur konnte. Ich habe mich oft gefragt, weswegen. War es Eifersucht? Ich weiß es bis heute nicht. Jedenfalls galten Walter und Viola offiziell als Paar, was nach damaligen Verhältnissen einer Verlobung gleichkam.
    Eines Tages wollten wir alle zusammen schwimmen gehen. Wir hatten uns im Brestenberg-Bad verabredet. Es war ein heißer Tag, ich weiß es noch, als wäre es erst gestern gewesen. Über den Alpen dräute ein Gewitter, und meine Mutter sagte, wir sollten besser zu Hause bleiben. Aber Viola insistierte natürlich auf dem Ausflug. Kurz bevor wir aufbrechen wollten, bekam sie jedoch … ehm … Besuch.«
    Anouk schürzte die Lippen. »Von wem denn?«
    Ihre Großtante räusperte sich verlegen. »Na ja, Besuch eben. Du weißt schon.«
    Anouk ging ein Licht auf. »Ach, so! Ja, verstehe.«
    »Ich dafür umso weniger«, sagte Max verständnislos.
    »Menstruation«, flüsterte Valerie hinter vorgehaltener Hand, als würde sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. Er biss sich auf die Lippen und schaute zu Boden. Seine Schultern zuckten. Auch Anouk musste sich beherrschen, um nicht laut loszulachen.
    »Ihr macht euch doch nicht etwa über mich lustig, oder?« Valerie blickte von einem zum anderen.
    »Nie und nimmer!«, beteuerte Anouk, aber um ihre Mundwinkel zuckte es verräterisch. »Was geschah dann?«
    »Nun. Heute würde man anrufen und absagen, nicht wahr? Oder eine Sumse schicken.«
    Diesmal konnte Anouk sich nicht mehr zurückhalten. Sie fing an zu

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