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Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Titel: Die Frau mit dem Muttermal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Grog.«
    Reinhart schaute auf die Uhr.
    »Ist erst elf«, sagte er. »Aber meinetwegen. Das ist hier doch alles nur Entenkacke.«
     
    Auf dem Heimweg vom Polizeipräsidium machte Reinhart an diesem düstren Montag einen Abstecher ins Einkaufszentrum Merckx draußen in Bossingen. An sich war es gegen seine Prinzipien, in so einem Kommerztempel einzukaufen, aber heute gab er der Umstände halber nach. Ihm war klar, dass er nach dem undankbaren Herumwühlen in Ryszard Maliks Vorleben einfach keine Lust mehr hatte, in den kleinen Geschäften der Innenstadt herumzulaufen.
    Nach einer halben Stunde hatte er einen Hummer, zwei Flaschen Wein und elf Rosen erstanden. Sowie noch die eine und andere kleine Leckerei. Er begnügte sich damit, verließ das Inferno, und eine Viertelstunde später betrat er seine Wohnung in der Zuyderstraat. Packte seine Einkäufe aus und ging zum Telefon.
    »Hallo. Ich habe Hummer, Wein und Rosen. Alles nur für dich! Komm doch. In einer Stunde kannst du hier sein.«
    »Heute ist Montag«, antwortete die Frau am anderen Ende.
    »Wenn man nicht selbst was draus macht«, entgegnete Reinhart, »dann ist es ein Leben lang Montag.«
    »OK«, sagte die Frau. »Ich komme.«

    Winnifred Lynch war zu einem Viertel Aborigine, geboren in Perth in Australien, aber aufgewachsen in England. Sie hatte in Cambridge studiert, war geschieden und promovierte nun im Rahmen eines Austauschprogramms an der Maardamer Universität. Als sie Reinhart Mitte November im Jazzclub Vox kennenlernte, war sie gerade 39 Jahre alt geworden. Reinhart war 49. Er brachte sie nach Hause, und sie liebten sich (mit kleinen Unterbrechungen) vier Tage lang, aber danach war es – zur beiderseitigen Verwunderung und ganz entgegen ihren bisherigen Erfahrungen – nicht zu Ende. Sie trafen sich weiterhin. Hier und dort: auf Konzerten, in Restaurants, im Kino und vor allem – natürlich – im Bett. Bereits Anfang Dezember begriff Reinhart, dass an dieser braunhaarigen, intelligenten Frau etwas Besonderes war, und als sie während der Weihnachtsferien nach England fuhr, fühlte er eine Sehnsucht, die er seit fast dreißig Jahren nicht mehr gespürt hatte. Plötzlich hatte er Angst, sie zu verlieren.
    Dieses Gefühl versetzte ihm einen Schreck, zweifellos, das war eine Warnung, aber als sie nach drei Wochen zurückkam, konnte er es sich nicht verkneifen, sie vom Flughafen abzuholen. Er stand mit Rosen und weit aufgerissenen Armen da, und seitdem waren sie natürlich wieder zusammen.
    Dieser Montag war das fünfte – oder vielleicht auch das sechste – Mal seit damals, und wenn er nachrechnete, musste er feststellen, dass kaum mehr als zehn Tage seitdem vergangen waren. Verflucht, das schien was Ernsteres zu sein.
     
    »Warum bist du Polizist geworden?«, fragte sie ihn, als sie hinterher nebeneinander im Bett lagen. »Du wolltest es mir mal erzählen.«
    »Das ist ein Trauma«, sagte er nach kurzer Bedenkzeit.
    »Ich bin ein Mensch«, sagte sie.
    »Was meinst du damit?«
    Sie antwortete nicht, aber nach einer Weile bildete er sich ein, sie zu verstehen.

    »Allright«, sagte er. »Es war eine Frau. Oder ein Mädchen. Zwanzig Jahre alt.«
    »Was ist passiert?«
    Er zögerte und nahm zwei Züge aus seiner Zigarette, bevor er ansetzte.
    »Ich war 21. Habe an der Uni Philosophie und Anthropologie studiert, weißt du. Wir waren seit zwei Jahren zusammen. Wollten heiraten. Sie studierte Sprachen … eines Abends ging sie von einer Vorlesung nach Hause und wurde von einem Wahnsinnigen im Wollerimspark niedergestochen. Sie starb im Krankenhaus, noch bevor ich dorthin kam. Die Polizei brauchte sechs Monate, um den Täter zu fassen, da hatte ich schon angefangen.«
    Wenn sie jetzt klug genug ist, nichts zu sagen, dann will ich mit ihr zusammenleben, dachte er plötzlich.
    Winnifred Lynch legte ihm ihre Hand auf die Brust. Streichelte ihn vorsichtig ein paar Sekunden, dann stand sie auf und ging ins Badezimmer.
    Damit wäre die Sache entschieden, stellte Reinhart verwundert fest.
    Später, als sie wieder nebeneinander lagen und sich berührten, konnte er nicht umhin, eine Frage zu stellen.
    »Was hältst du von einem Mörder, der auf das Opfer zwei Schüsse in den Unterleib abfeuert, wenn es schon tot daliegt?«
    Sie überlegte eine Weile.
    »Und das Opfer ist ein Mann?«
    »Ja.«
    »Dann glaube ich, der Mörder ist eine Frau.«
    Verflucht noch mal, dachte Reinhart.

    9
    Der Aufenthalt am stürmischen Meer das Wochenende über hatte offenbar

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