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Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Die Frau mit dem Muttermal - Roman

Titel: Die Frau mit dem Muttermal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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ein langes Intro. Offensichtlich mit einigen Jahren auf dem Buckel. Schöne Melodie.
    »Hallo«, rief er, nachdem er zehn Sekunden zugehört hatte, »ist das ein Quiz?«
    Keine Antwort. Die Musik lief weiter.
    Er hielt den Hörer etwas vom Ohr weg und überlegte eine Weile. »Wenn Sie glauben, Sie könnten mich mit solchem Quatsch aus der Fassung bringen, dann möchte ich Ihnen nur sagen: Da irren Sie sich aber gewaltig!«, sagte er schließlich und legte auf. Abschaum, dachte er. Was, zum Teufel, wird nur aus dieser Gesellschaft werden?
    Dann zog er sich seinen Bademantel über und ging in die Küche, um zu frühstücken.
     
    Im weiteren Verlauf des Tages kamen mindestens noch acht weitere Anrufe – irgendwann am frühen Nachmittag verlor er den Überblick.
    Dieselbe Musik. Ein Instrumental aus den Sechzigern wahrscheinlich  – an das er sich vage zu erinnern meinte, das er
aber nie genau identifizieren konnte. Weder die Gruppe, die da spielte, noch den Titel.
    Natürlich überlegte er mehrmals, den Stecker herauszuziehen und so Schluss mit dem Blödsinn zu machen, aber aus irgendwelchen Gründen ließ er es doch sein. Unterbrach stattdessen jedes Mal, wenn das Telefon klingelte, seine Lektüre oder seine Arbeit mit dem Lehrbuchindex. Antwortete, wartete und hörte zu, schaute über das Häuserdach und die kahlen, schwarzen Bäume, während er überlegte, was, verflucht noch mal, dahinterstecken konnte. Er selbst äußerte nach dem dritten Anruf kein einziges Wort mehr. Anfangs war er überzeugt davon, dass es etwas mit der Schule zu tun haben musste, dass irgendein Schüler dahintersteckte, aber je länger das dauerte, um so stärker zweifelte er daran.
    Sonderbarerweise schien ihn auch im Laufe der Zeit die Irritation zu verlassen … verließ ihn und verwandelte sich in etwas anderes, das vermutlich zu gleichen Teilen aus Neugier und einer anderen Zutat bestand, die er sich selbst nicht eingestehen wollte. Er wollte nicht zugeben, dass es sich hierbei um Angst handelte. Denn irgendwie hatte das Ganze etwas Unangenehmes an sich. Etwas, das er nicht so recht zu packen bekam und nicht verstand. Eine Überinterpretation, ganz einfach? Die weibliche Stimme des ersten Anrufs tauchte nicht wieder auf, die ganze Zeit war nur die Musik zu hören. Nichts sonst. Derselbe instrumentale Popsong … ganz gute Musiker, zweifellos, und, wie gesagt, aus der Zeit Anfang der Sechziger, wenn er sich nicht irrte.
    Aber auch wenn die Stimme nicht wieder auftauchte, erinnerte er sich doch daran, was sie gefragt hatte:
    »Erkennst du die Melodie wieder?«
    Da war etwas, an das er sich erinnern sollte. Hatte sie das gemeint? Die Musik bedeutete etwas, und es ging natürlich darum, dass er darauf kommen sollte, was sie bedeutete. So war das doch wohl gemeint, oder?
    Scheiße, murmelte er, als er den Hörer zum fünften oder
sechsten Mal aufgelegt hatte. Was war eigentlich der Sinn dabei? Aber es sollte noch eine Weile dauern, bis Rickard Maasleitner sich darüber vollkommen im Klaren war. Dafür war es dann jedoch absolut eindeutig.
    12
    Enso Faringer war nervös. Daran bestand kein Zweifel. Kaum hatte er sich am üblichen Tisch bei Freddy’s niedergelassen, rutschte er schon hin und her und kratzte sich an seinem hässlichen Hautausschlag am Hals, den er immer im Winter bekam. Er trank hastig sein Bier und hatte bereits zwei Zigaretten geraucht, bevor das Essen kam.
    Die Unterhaltung verlief im Kreis, und Maasleitner begriff, dass sein Kollege nicht so recht wusste, auf welchem Bein er stehen sollte. Oder, besser gesagt, auf welchem Stuhl er sitzen sollte. Er hatte bereits am Dienstagabend versucht, sich mit ihm zu treffen, aber nur eine ziemlich fadenscheinige Ausrede als Antwort bekommen – dass ein alter Freund zu Besuch käme oder so etwas. Als ob Enso Faringer Freunde hätte. Maasleitner hatte bereits, als er ihn am Telefon hatte, nicht übel Lust, ihn zu bitten, ein bisschen mehr von dem Besuch zu erzählen. Doch er hatte die Lüge dann mit guter Miene geschluckt. War ja auch egal. Jetzt spielte er mit dem Gedanken, ihm zuzusetzen, ließ es aber bleiben. Er wollte nicht eklig sein. Faringer war zumindest noch ein Kontakt. Eine Person, die Einblick darin hatte, was eventuell in der Schule vor sich ging, auch wenn er kaum in der Lage war, selbst seine Schlüsse daraus zu ziehen. Oder Sachen und Geschehnissen die eine oder andere Wendung zu geben.
    Außerdem gab es ja sonst kaum jemanden. Niemanden, auf den er sich verlassen

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