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Die Frau mit dem roten Herzen

Die Frau mit dem roten Herzen

Titel: Die Frau mit dem roten Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Qiu Xiaolong
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attraktiv bezeichnen.
    Catherine hatte Schwierigkeiten, die Frau einzuordnen. Sie war weder Hausmädchen noch Hausherrin; Lius Frau hielt sich momentan in Shanghai auf.
    Auch ihr Verhalten gegenüber den Gästen war schwer zu deuten. »Nehmen Sie doch Platz. Generaldirektor Liu wird in einer halben Stunde hier sein. Er hat mich eben von seinem Wagen aus angerufen. Haben Sie ihn gestern noch erreicht?«
    »Ja. Ich bin Chen Cao. Catherine ist eine Bekannte aus Amerika.«
    »Möchten Sie etwas trinken? Kaffee vielleicht oder Tee?«
    »Tee bitte. Hier ist meine Karte. Liu und ich sind beide Mitglieder des Schriftstellerverbandes.«
    Catherine fragte sich, worauf er hinauswollte.
    Bei diesem rätselhaften Oberinspektor mußte man auf alles gefaßt sein. Sie beschloß, ihn reden zu lassen und sich mit der Rolle des Echos zu begnügen, wie sie einer amerikanischen Bekannten zustand.
    »Sie haben einen deutlichen Shanghaier Akzent«, bemerkte Chen.
    »Dort bin ich geboren. Ich bin erst seit kurzem in Suzhou.«
    »Sie sind Genossin Wen Liping, nicht wahr?« Chen erhob sich und streckte ihr die Hand hin. »Es freut mich, Sie kennenzulernen.«
    Die Frau wich erschrocken zurück.
    Catherine blieb der Mund offen.
    Dies hier war nicht die Wen von den Fotos – eine verhärmte Frau mit freudlosem Gesicht –, sondern eine gutaussehende, lebensfrohe Person mit wachen Augen.
    »Woher kennen Sie meinen Namen? Wer sind Sie?«
    »Ich bin Oberinspektor Chen von der Shanghaier Polizei. Und das hier ist Catherine Rohn, Inspektorin beim U.S. Marshals Service.«
    »Sind Sie gekommen, um mich aufzuspüren?«
    »Ja, wir haben überall nach Ihnen gesucht.«
    »Ich bin hier, weil ich Sie in die Vereinigten Staaten begleiten soll«, sagte Catherine.
    »Tut mir leid«, rief Wen verstört, aber mit Nachdruck. »Ich werde nicht gehen!«
    »Keine Sorge, Wen. Ihnen wird nichts geschehen. Die amerikanischen Kollegen werden Sie in ihr Zeugenschutzprogramm aufnehmen«, erklärte Chen. »Der Schlangenkopf kommt hinter Gitter, und die Banditen werden Sie nie finden. Für die Sicherheit Ihrer Familie ist gesorgt.«
    »Ja, wir werden uns um alles kümmern«, bestätigte Catherine.
    »Von einem solchen Programm weiß ich nichts«, sagte Wen mit angsterfüllter Stimme. Ihre Hände legten sich schützend über ihren Bauch.
    »Sobald Sie in den USA eintreffen, wird unsere Regierung Sie in vielfacher Weise unterstützen; Sie bekommen einen monatlichen Barbetrag, Krankenversorgung, eine Wohnung, ein Auto, Möbel …«
    »Wie ist das möglich?« unterbrach Wen Catherines Ausführungen.
    »All das erhalten Sie im Gegenzug zur Kooperation Ihres Mannes in dem Gerichtsverfahren gegen Jia. Unsere Regierung hat ihm dies zugesichert, sofern er gegen Jia aussagt.«
    »Trotzdem. Sie können mir versprechen, was Sie wollen. Ich gehe nicht.«
    »Sie haben doch schon vor Monaten einen Paß beantragt«, sagte Chen. »Inzwischen ist sowohl die chinesische wie auch die amerikanische Regierung eingeschaltet worden. Wir müssen nur noch Ihren Paß besorgen, Ihr Visum liegt bereits vor. Warum haben Sie Ihre Absichten geändert?«
    »Wieso bin ich auf einmal so wichtig?«
    »Ihr Mann hat darauf bestanden, daß er nur kooperiert, wenn Sie ihm in die Staaten folgen dürfen. Sie sehen, wie besorgt er um Sie ist.«
    »Um mich besorgt?« stieß Wen hervor. »Nicht um mich, sondern um seinen Sohn in meinem Bauch.«
    »Wissen Sie, was mit Ihrem Mann passiert, wenn Sie nicht gehen?« fragte Catherine.
    »Er mag für Ihre Regierung arbeiten, ich nicht.«
    »Und Sie leben hier mit einem anderen Mann zusammen.
    Einem gesellschaftlichen Aufsteiger mit viel Geld«, sagte Catherine. »Damit verdammen Sie Ihren Ehemann zu lebenslanger Haft. Ist Ihnen das klar?«
    »So kann man das nicht sagen, Inspektor Rohn«, fuhr Chen eilends dazwischen. »Die Dinge liegen etwas komplizierter. Liu …«
    »Nein.«
    Wen saß mit gesenktem Kopf da wie eine Pflanze, die der Frost erwischt hat. Dann murmelte sie mit zitternden Lippen: »Über eine vom Schicksal gebeutelte Frau wie mich können Sie sagen, was Sie wollen, aber lassen Sie Liu aus dem Spiel.«
    »Liu ist ein rechtschaffener Mann. Das wissen wir«, sagte Chen. »Inspektor Rohn ist lediglich um Ihre Sicherheit besorgt.«
    »Ich habe Ihnen gesagt, daß ich nicht gehen werde, Oberinspektor Chen«, erwiderte Wen mit Entschiedenheit. »Mehr werden Sie von mir nicht hören.«
    Einige Minuten peinlichen Schweigens folgten. Wen ließ weiter den Kopf hängen,

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