Die Frau mit dem roten Herzen
hoch. Die Äxte schlugen so heftig darin ein, daß Chen unwillkürlich zurücktaumelte. Hinter ihm kniete Catherine und füllte die Flaschen mit den Chemikalien, Wen verstopfte die Hälse mit alten Lumpen.
»Haben Sie ein Feuerzeug, Catherine?« fragte er.
Sie durchwühlte ihre Taschen. »Die Streichhölzer aus dem Hotel – ein Andenken an Suzhou.« Sie zündete eines an.
Er schnappte sich die Flasche und schleuderte sie auf das Haus, hinter dem sich die Angreifer verschanzt hatten. Eine Explosion folgte. Vielfarbige Flammen schossen in die Luft. Sie zündete eine weitere Flasche, die er in Richtung Scheune warf. Sie explodierte mit lautem Knall, und der ätzende Geruch der Chemikalien stieg ihnen in die Nase.
Den Moment der Verwirrung, den die Explosion verursacht hatte, mußten sie nutzen.
Er drehte sich zu Wen um. »Gibt es jenseits des Bachs eine Abkürzung?«
»Ja. Und um diese Zeit führt er kaum Wasser.«
»Catherine, hinten im Hof ist eine Tür. Brechen Sie die auf und laufen Sie mit Wen zum Wagen.« Er gab ihr den Revolver. »Hier ist die Waffe. Es sind nur noch drei Kugeln drin. Ich sorge für Deckung.«
»Wie wollen Sie das machen?«
»Mit den Molotow Cocktails. Ich werde weitere Flaschen werfen.« Er zog die Axt aus dem Türrahmen. Vielleicht würde er sie bald brauchen. Allerdings waren solche Kung-Fu-Wunder bloß auf der Leinwand möglich. »Ich komme nach.«
»Nein. Ich lasse Sie hier nicht allein. Die Polizei muß doch inzwischen mitgekriegt haben, was hier läuft. Sie werden jeden Moment dasein.«
»Hören Sie, Catherine«, stieß Chen aus rauher Kehle hervor. »Wir können uns nicht mehr lange halten. Sobald sie uns von beiden Seiten angreifen, ist es zu spät. Sie müssen hier weg.«
Dann warf er weitere Flaschen, eine nach der anderen in schneller Folge. Der Weg verschwand in Rauch und Flammen. Zwischen den Explosionen hörte er, wie Catherine und Wen auf die Tür im Hinterhof einschlugen. Er hatte keine Zeit, über die Schulter zu schauen. Einer der Banditen kam auf ihn zugerannt; seine Äxte blitzten durch den Qualm. Chen schleuderte ihm eine Flasche entgegen und warf die Axt hinterher.
Der Bandit tauchte aus den verfliegenden Rauchwolken nicht mehr auf.
Gut, dachte er und wollte gerade eine der verbleibenden Flaschen packen, als er auf der Rückseite des Hauses einen Schuß hörte. Ein dumpfer Aufschlag folgte.
Er wirbelte herum und sah Catherine, die Wen ins Haus zurückzerrte. Über der Mauer des Hinterhofs erschien ein maskiertes Gesicht. Sie feuerte einen weiteren Schuß ab, und der Angreifer fiel rücklings hinunter.
»Die hat auch eine Knarre!« schrie jemand auf der anderen Seite.
Mit Chen auf der Vorderseite und Catherine im Hinterhof konnten sie ihre Gegner kurzzeitig in Schach halten, doch es würde nur Minuten dauern, bis der nächste Angriff kam.
Eine letzte Kugel im Revolver.
Diese Minuten waren entscheidend.
In der Ferne hörte er eine Sirene, dann das Quietschen von Bremsen. Laufen. Undeutliches Rufen. Wütendes Gebell.
Er holte aus und schleuderte die beiden letzten Molotow Cocktails in den Donner von Gewehrsalven. Die Kugeln galten den Banditen, die sich im gegenüberliegenden Haus verschanzt hatten. Erneuter Kugelhagel ließ die Scheune in Flammen aufgehen. Die Mitglieder der Triade taumelten heraus und ergriffen die Flucht.
»Bullen!«
Sekunden später war der Boden von Verwundeten und Sterbenden übersät. Polizisten verfolgten die letzten Flüchtenden mit gezogenen Waffen.
Zu seiner Überraschung sah Chen, wie Yu, seine Pistole in der Hand, auf ihn zurannte. Die Schlacht war geschlagen.
34
»H AUPTWACHTMEISTER Y U !« Chen packte Yus Hand.
»Schön, Sie zu sehen, Chef.« Mehr brachte Yu vor lauter Aufregung nicht heraus.
Catherine ergriff Yus andere Hand. Ihr Gesicht war verschmiert, die Bluse an der Schulter zerrissen. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Hauptwachtmeister Yu.«
»Ganz meinerseits, Inspektor Rohn.«
»Ich dachte, Sie seien längst auf dem Rückweg nach Shanghai«, sagte Chen.
»Mein Flugzeug hatte Verspätung. Als ich vor dem Abflug ein letztes Mal meine Mailbox abhörte, bekam ich die Botschaft von Inspektor Rohn, daß niemand Sie am Bahnhof abgeholt hat.«
»Wann haben Sie denn diesen Anruf gemacht, Inspektor Rohn?«
»Während Sie das Mietauto besorgt haben.«
»Es kam mir merkwürdig vor, daß die Kollegen nicht am Bahnhof waren«, sagte Yu. »Je mehr ich darüber nachdachte, desto verdächtiger wurde mir die
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