Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
27. Juli 1884 gefallen, aber im französischen Strafrecht ist der Unterschied geblieben, was sehr bezeichnend für die französischen Gesetzgeber ist. Wird die Frau des Ehebruchs überführt, so wird sie mit Gefängnis von 3 Monaten bis zu 2 Jahren bestraft. Der Mann wird nur bestraft, wenn er, nach dem früheren Artikel 230 des Code civil , eine Konkubine im Hause des Ehepaares unterhält und daraufhin die Ehefrau klagt. Er erhält aber, wenn für schuldig erkannt, nur eine Geldbuße von 100 bis zu 2.000 Frank. (Artikel 337 und 339 des Code penal .) Eine solche Rechtsungleichheit wäre unmöglich, wenn auch Frauen im französischen Parlament säßen. Ähnliches Recht besteht in Belgien. Die Strafe für den Ehebruch der Frau ist dieselbe wie in Frankreich, der Ehemann kann nur bestraft werden, falls der Ehebruch in der Wohnung der Eheleute begangen wurde, alsdann tritt für den Ehemann Gefängnisstrafe von einem Monat bis zu einem Jahr ein. Etwas gerechter ist man in Belgien als in Frankreich, aber zweierlei Recht besteht hier wie dort für Mann und Frau. Ähnliche Bestimmungen gelten unter dem Einfluß des französischen Rechts in Spanien und Portugal. Das italienische gemeine Recht (Zivilrecht) vom Jahre 1865 ermöglicht der Frau nur die Scheidung, wenn der Ehemann seine Konkubine im Hause unterhält, oder an einem Orte, an dem der Aufenthalt der Konkubine als eine besonders schwere Beleidigung für die Ehefrau angesehen werden muß. Im Jahre 1907, zugleich mit dem Gesetz (vom 21. Juni), das eine Reihe Artikel des Code civil , betreffend Eheschließungen, geändert hat, wurde endlich von beiden Kammern das Gesetz vom 13. Juli angenommen, das die Frau zur alleinigen Besitzerin alles dessen macht, was sie selbständig erwirbt oder durch Erbschaft und Schenkung erhält. Der Mann hat sein Verfügungsrecht über das Sondergut der Frau verloren. Das ist die erste Bresche in der französischen Gesetzgebung, und die französische Frau steht jetzt auf derselben Stufe, auf die die englische Frau durch das Gesetz von 1870 gestellt wurde.
Viel weiter nicht nur im Vergleich mit dem Code civil , sondern auch mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch geht das neue schweizerische Zivilgesetzbuch, das am 10. Dezember 1907 angenommen ist und am 1. Januar 1912 in Kraft tritt. An Stelle der verschiedenen Gesetze der einzelnen Kantone, die teils im Anschluß an das Code civil , wie in Genf, Waadt und in der italienischen Schweiz, oder an das österreichische Recht, wie in Bern und Luzern, oder an das alte Gewohnheitsrecht in Schwyz, Uri, Unterwalden usw. galten, bekommt jetzt die Schweiz ein einheitliches Gesetz. Die Freiheit der Frau und der Kinder ist gesichert. Das neue Gesetz zuerkennt auch dann der Frau einen Anteil am Gewinn der Ehe (ein Drittel davon), wenn sie nur als Gehilfin oder Hausfrau mittätig gewesen ist. Auch im Erbrecht ist sie besser gestellt als nach dem deutschen Recht. So erhält sie neben den Eltern des Mannes außer der Hälfte des Nachlasses noch lebenslänglichen Nießbrauch an der anderen Hälfte. Schuldner solcher Ehemänner, welche die Sorge für Weib und Kind vernachlässigen, können vom Richter angewiesen werden, ihr Zahlungen an die Ehefrau zu leisten. Das Verbot der Eheschließung des geschiedenen Ehegatten mit demjenigen, mit welchem er den Ehebruch begangen hat, ist unter die Ehehindernisse nicht aufgenommen. (Der betreffende § 298 des Code civil ist auch in Frankreich im Jahre 1904 weggefallen.) Das eheliche Güterrecht ist im wesentlichen ebenso wie im Bürgerlichen Gesetzbuch geordnet. In erster Reihe entscheidet der Ehevertrag, der sowohl vor als während der Ehe geschlossen werden kann. Uneheliche Kinder haben, wenn die Ehe der Mutter versprochen war, Anspruch nicht nur auf Alimente wie im deutschen Recht, sondern auch auf Zusprechung der Standesfolge gegen den Vater, und erlangen damit die Rechte der ehelichen Kinder.
Schweden sicherte durch Gesetz vom 11. Dezember 1874 der Ehefrau das Recht der freien Verfügung über das, was sie durch persönliche Arbeit erwirbt. Dänemark hat 1880 den gleichen Grundsatz zum geltenden Recht erhoben. Auch kann nach dänischem Recht das Besitztum der Frau nicht durch Schulden des Mannes in Ansprach genommen werden. Ganz ähnlich lautet das norwegische Gesetz vom Jahre 1888 und das finnländische vom Jahre 1889: die verheiratete Frau hat dieselbe Fähigkeit, der Verfügung über ihre Güter wie die nichtverheiratete, nur sind einige Ausnahmen
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