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Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: August Bebel
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Seite bildet. Die Gens hat eine Stammutter, von welcher die weiblichen Nachkommen generationsweise abstammen. Die Männer ihrer Frauen gehören nicht in die Blutverwandtschaftsgruppe, die Gens ihrer Ehefrauen, sondern sie gehören in die Gens ihrer Schwestern. Dagegen gehören die Kinder dieser Männer in die Familiengruppe ihrer Mütter, weil nach der Mutter sich die Abstammung richtet. Die Mutter ist das Haupt der Familie, und so entsteht das "Mutterrecht", das lange Zeit für die Familien- und Erbschaftsbeziehungen die Grundlage bildet. Dementsprechend hatten auch die Frauen – solange die Abstammung von der Mutter anerkannt war – im Rate der Gens Sitz und Stimme, sie wählten mit die Sachems (Friedensvorsteher) und die Kriegshäuptlinge und setzten sie ab. Als Hannibal sein Bündnis mit den Galliern gegen Rom abschloß, sollte im Falle von Streitigkeiten mit den Verbündeten der Schiedsspruch den gallischen Matronen anvertraut werden. So groß war Hannibals Vertrauen in deren Unparteilichkeit.
     
    Über die Lykier, die das Mutterrecht anerkannten, sagt Herodot: "Ihre Sitten sind teils kretisch, teils karisch. Eine Sitte haben sie jedoch, in welcher sie vor jeder anderen Nation der Welt sich unterscheiden. Frage einen Lykier, wer er ist, und er gibt dir zur Antwort seinen eigenen Namen, den seiner Mutter und so weiter in der weiblichen Linie. Ja noch mehr, wenn eine Freigeborene einen Sklaven heiratet, so sind ihre Kinder freie Bürger, wenn aber ein freier Mann eine Ausländerin heiratet oder ein Kebsweib nimmt, so gehen die Kinder, auch wenn er die höchste Person im Staate ist, aller Bürgerrechte verlustig."
     
    Man spricht in jener Zeit von dem matrimonium statt vom patrimonium , von mater familias statt pater familias , und das Heimatland heißt liebes Mutterland. Wie die vorhergehenden Familienformen, so beruhte auch die Gens auf der Gemeinsamkeit des Eigentums, das heißt auf kommunistischer Wirtschaftsweise. Die Frau ist die Leiterin und Führerin dieser Familiengenossenschaft, sie genießt daher auch ein hohes Ansehen sowohl im Hause wie in den Angelegenheiten der Familie beziehentlich des Stammes. Sie ist Streitschlichterin und Richterin und verrichtet die Kulterfordernisse als Priesterin. Das öfters Auftreten von Königinnen und Fürstinnen im Altertum, ihr entscheidender Einfluß auch dann, wenn ihre Söhne regieren, zum Beispiel in Ägypten, ist die Folge des Mutterrechts. In jener Periode hat die Mythologie vorwiegend weiblichen Charakter angenommen; Astarte, Demeter, Ceres, Latona, Isis, Frigga, Freia, Gerda usw. Die Frau ist unverletzlich, Muttermord ist das schwerste Verbrechen, es ruft alle Männer zur Vergeltung auf. Die Blutrache ist gemeinsame Sache der Männer des Stammes, jeder ist verpflichtet, das an einem Mitglied der Familiengenossenschaft durch Angehörige eines anderen Stammes begangene Unrecht zu rächen. Die Verteidigung der Frauen stachelt die Männer zur höchsten Tapferkeit an. So zeigten sich die Wirkungen des Mutterrechts in allen Lebensbeziehungen der alten Völker, bei den Babyloniern, den Assyrern, Ägyptern, bei den Griechen vor der Heroenzeit, bei den italischen Völkerschaften vor der Gründung Roms, den Skythen, den Galliern, den Iberern und Kantabrern, den Germanen usw. Die Frau nimmt zu jener Zeit eine Stellung ein, die sie seitdem nie mehr eingenommen hat. So sagt Tacitus in seiner "Germania": "Die Deutschen glauben, daß dem Weibe etwas Heiliges und Prophetisches innewohne, darum achten sie des Rates der Frauen und horchen ihren Aussprüchen." Über die Stellung der Frauen in Ägypten ist Diodor, der zur Zeit Cäsars lebte, höchlich entrüstet; er hatte erfahren, daß in Ägypten nicht die Söhne, sondern die Töchter ihre alternden Eltern ernährten. Er zuckt deshalb verächtlich über die Weiberknechte am Nil die Achseln, die den Angehörigen des schwächeren Geschlechts im häuslichen und im öffentlichen Leben Rechte einräumten und Freiheiten gestatteten, die einem Griechen oder Römer unerhört vorkommen mußten.
     
    Unter dem Mutterrecht herrschte im allgemeinen ein Zustand verhältnismäßigen Friedens. Die Verhältnisse waren enge und kleine, die Lebenshaltung primitiv. Die einzelnen Stämme sonderten sich voneinander ab, aber respektierten gegenseitig ihr Gebiet. Wurde ein Stamm angegriffen, so waren die Männer zur Abwehr verpflichtet, und sie wurden hierin auf das kräftigste von den Frauen unterstützt. Nach Herodot nahmen die Frauen bei den

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