Die Frau und der Sozialismus: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
Mythos kehrt bei den Ägyptern und in der nordischen Edda wieder. Der ägyptische Gott Ammon war der Gatte seiner Mutter und rühmte sich dessen, Odin war nach der Edda der Gemahl seiner Tochter Frigga . Und Dr. Adolf Bastian erzählt: "In Svaganwara stand den Rajahtöchtern das Privilegium freier Vermählung ihrer Gatten zu. Die vier Brüder, die sich in Kapilapur niederließen, erhoben Priya, die älteste ihrer fünf Schwestern, zur Königinmutter und heirateten die anderen " .
Morgan nimmt an, daß aus dem Zustand allgemeiner Vermischung der Geschlechter sich bald eine höhere Form des Geschlechtsverkehrs entwickelte, die er als die Blutverwandtschaftsfamilie bezeichnet. Jetzt sind die im Geschlechtsverkehr stehenden Gruppen nach Generationen gesondert, so daß die Großväter und Großmütter innerhalb eines Geschlechtsverbandes Ehemänner und Ehefrauen sind. Ihre Kinder bilden ebenfalls einen Kreis gemeinsamer Ehegatten, und ebenso deren Kinder, sobald sie in das entsprechende Lebensalter eingetreten sind. Es ist also im Gegensatz zu dem Geschlechtsverband auf der untersten Stufe, in dem Geschlechtsverkehr ohne Unterschied besteht, eine Generation vom Geschlechtsverkehr mit der anderen ausgeschlossen . Dagegen besteht dieser jetzt unter Brüdern und Schwestern, Vettern und Cousinen ersten, zweiten und entfernteren Grades. Diese sind alle miteinander Schwestern und Brüder, aber sie sind alle zueinander auch Mann und Frau. Dieser Familienform entspricht das Verwandtschaftsverhältnis, das in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auf Hawaii noch dem Namen nach, aber nicht mehr in der Tat bestand. Dagegen können nach dem amerikanisch-indischen Verwandtschaftssystem Bruder und Schwester nie Vater und Mutter desselben Kindes sein, wohl aber nach dem hawaiischen Familiensystem. Blutverwandtschaftsfamilie war auch der Zustand, der zur Zeit Herodots bei den Massageten bestand, worüber er berichtet: "Jeder ehelicht eine Frau, aber allen ist erlaubt, sie zu gebrauchen."... "So oft einem Manne nach einem Weibe gelüstet, hängt er seinen Köcher vorn an den Wagen auf und wohnt dem Weibe unbesorgt bei.... Dabei steckt er seinen Stab in die Erde, ein Abbild seiner eigenen Tat.... Der Beischlaf wird offen ausgeübt" . Ähnliche Zustände weist Bachofen nach bei den Lykiern, Etruskern, Kretern, Athenern, Lesbiern, Ägyptern.
Nach Morgan folgt der Blutverwandtschaftsfamilie eine dritte, höhere Form des Familienverbandes, die er die Punaluafamilie nennt. Punalua: lieber Genosse, liebe Genossin.
Gegen die Auffassung Morgans, als sei die Blutverwandtschaftsfamilie, beruhend auf der Organisation von Heiratsklassen, die generationsweise sich bildeten, eine der Punaluafamilie vorausgehende ursprüngliche Organisation, wendet sich Cunow in seinem bereits obenerwähnten Buch. Er sehe darin nicht die allerprimitivste der bisher entdeckten Formen des Geschlechtsverkehrs, sondern eine erst mit dem Geschlechtsverband entstandene Zwischenform, eine Übergangsstufe zur reinen Gentilorganisation, auf welcher die der sogenannten Blutverwandtschaftsfamilie angehörende Einteilung in Altersklassen noch eine Zeitlang in veränderter Form einherläuft, neben der Einteilung in Totemverbände . Cunow führt weiter aus: Die Klasseneinteilung – jeder einzelne, Mann oder Weib, führt den Namen seiner Klasse und seines Geschlechtsverbandes (Totems) – dient nicht zur Ausschließung des Geschlechtsverkehrs zwischen Seitenverwandten, sondern zur Verhinderung der Kohabitation zwischen Verwandten in auf- und absteigender Linie , zwischen Eltern und Kindern, Tanten und Neffen, Onkeln und Nichten. Ausdrücke wie Tante, Onkel usw. seien Schichtennamen.
Cunow führt für die Richtigkeit seiner Ansichten, in denen er im einzelnen von Morgan abweicht, die Beweise an. Aber wie sehr er im einzelnen von Morgan abweicht, gegenüber den Angriffen Westermarcks und anderer nimmt er ihn nachdrücklich in Schutz. Er sagt: "Mögen immerhin einzelne Hypothesen Morgans sich als falsch erweisen und anderen nur eine bedingte Gültigkeit eingeräumt werden können, das Verdienst kann ihm niemand absprechen, daß er als erster die Identität der nordamerikanischen Totemverbände mit den Gentilorganisationen der Römer festgestellt und zweitens unsere heutigen Verwandtschaftssysteme und Familienformen als Ergebnisse eines langen Entwicklungsprozesses nachgewiesen hat. Er hat dadurch erst gewissermaßen die neueren Forschungen möglich gemacht,
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